Kurzinformation Religion: Vineyard

Gründung

Vine­yard Chris­t­ian Fel­low­ship ent­stand im Zuge der Jesus-Peo­ple-Bewe­gung im Kali­fornien der 1970er Jahre und wird auf zwei Grün­der zurück­ge­führt. Der erste, Kenn Gul­lik­sen, entwick­elte sich nach ein­er Konversion­serfahrung im Alter von 14 Jahren zu einem überzeugten Anhänger neocharis­ma­tis­ch­er Prak­tiken, ins­beson­dere der Zun­genrede, und wurde später Pas­tor in der Cal­vary Chapel, ein­er wach­senden neocharis­ma­tis­chen Grup­pierung. 1974 grün­de­ten Gul­lik­sen und seine Frau im kali­for­nischen Cos­ta Mesa mit drei Bekan­nten die Vine­yard Church als eine mit Cal­vary Chapel assozi­ierte Hauskirche, die in den fol­gen­den Jahren ras­ant anwuchs.
Der zweite Grün­der, John Wim­ber, wird als zen­tralere Fig­ur inner­halb der heuti­gen Vine­yard wahrgenom­men. Wim­ber begann seine beru­fliche Kar­riere als Musik­er und hat­te bere­its im Alter von 18 Jahren mehrere Alben erfol­gre­ich verkauft. Infolge ein­er pri­vat­en Krise kon­vertierte er zum christlichen Glauben und fand vor­erst in der Quäk­er-Bewe­gung einen neuen Sinn. Später fungierte er in evan­ge­likalen Kreisen als Berater für church-growth-Ansätze und wurde Pas­tor in ein­er Cal­vary-Chapel-Gemeinde. 1982 lern­ten sich Gul­lik­sen und Wim­ber auf einem Pas­toren­tr­e­f­fen ken­nen und entsch­ieden sich zur Zusam­me­nar­beit. The Vine­yard wurde unter der Fed­er­führung John Wim­bers noch im sel­ben Jahr als eine von Cal­vary Chapel unab­hängige Organ­i­sa­tion etabliert, der im Zuge der Grün­dung neben den acht beste­hen­den Vine­yard-Gemein­den 13 weit­ere Cal­vary-Chapel-Gemein­den beitrat­en.

Geschichte

1974 Grün­dung der ersten Vine­yard-Gemeinde, affil­i­iert mit Cal­vary Chapel, durch Kenn Gul­lik­sen im kali­for­nischen Cos­ta Mesa
1982 Grün­dung des Vine­yard Chris­t­ian Fel­low­ship als unab­hängige Organ­i­sa­tion durch Kenn Gul­lik­sen und John Wim­ber im kali­for­nischen Yor­ba Lin­da; Gul­lik­sen über­lässt Wim­ber die Führungspo­si­tion.
Seit 1982 Wach­s­tum der Organ­i­sa­tion von ursprünglich 21 Gemein­den auf heute über 2.400 affil­i­ierte Kirchen in 95 Län­dern
1997 Tod John Wim­bers

Lehre

Als neocharis­ma­tis­che Bewe­gung betont The Vine­yard die indi­vidu­elle Kon­ver­sion­ser­fahrung, die Gaben des Heili­gen Geistes und die Bekehrung von Nicht­gläu­bi­gen. Der Moment der Bekehrung und spir­ituellen Wiederge­burt wird als zen­trale Voraus­set­zung dafür ange­se­hen, das eigene Leben als von Gott gelenkt zu erken­nen und für den Heili­gen Geist empfänglich zu wer­den. Obwohl der Begriff der Dreifaltigkeit in der Regel nicht benutzt wird, hat The Vine­yard ein trini­tarisches Gottes­bild: Gott als Erschaf­fer des Lebens, Jesus als Iden­ti­fika­tions­fig­ur für den Men­schen und der Heilige Geist als Möglichkeit, das Göt­tliche zu erfahren. Jesus wird typ­is­cher­weise als enger Ver­trauter und Vor­bild im All­t­ag der Einzel­nen dargestellt, während (auch in Abgren­zung zu Cal­vary Chapel) ins­beson­dere die Zun­genrede (Glos­so­lalie) und die Wun­der­heilung als Gotte­ser­fahrung her­vorge­hoben wer­den. Obwohl die charis­ma­tis­che Inten­sität der frühen Vine­yard-Bewe­gung seit dem Tod John Wim­bers im Jahre 1997 laut ver­schieden­er Beobachter sichtlich abgenom­men hat, lehrt die heutige Kirche nach wie vor einen erfahrung­sori­en­tierten, mis­sion­ar­ischen Glauben. Anderen den eige­nen Glauben mitzuteilen und sie zur Kon­ver­sion zu führen wird als zen­traler Auf­trag aufge­fasst.

Besonderheiten in Europa / Deutschland

In den 1990er Jahren wur­den die ersten Vine­yard-Gemein­den in Europa ins Leben gerufen, darunter auch in Deutsch­land. Im deutschsprachi­gen Raum ist The Vine­yard als Ver­band namens Vine­yard D.A.CH. – Deutsch­land, Öster­re­ich und die Schweiz – organ­isiert, der laut dem Vor­sitzen­den Mar­tin Bühlmann Ende 2016 ca. 90 Gemein­den umfasst. Im Ver­gle­ich zur Mut­terkirche in den USA wer­den in deutschen Vine­yard-Gemein­den charis­ma­tis­che Ele­mente wie z.B. die Zun­genrede weniger betont; hier ste­ht ins­beson­dere Jesus als spir­itueller Führer und als Vor­bild der Einzel­nen sowie Gotte­ser­fahrung durch Näch­sten­liebe und Ökumene im Vorder­grund. Neben dem soge­nan­nten “jesus­mäßi­gen” Lebensstil wer­den die Unter­stützung bedürftiger Men­schen mit dem Ziel der Mit­gliedergewin­nung und die “Anbe­tung” Gottes durch christliche Musik her­vorge­hoben. Sowohl der deutschsprachige als auch der amerikanis­che Ver­band der Vine­yard-Gemein­den pro­duzieren eigene Musikalben, da christliche Musik als wichtiger Kanal gese­hen wird, Gott “anzu­beten” und eine emo­tion­al aufge­ladene Verbindung zu ihm herzustellen.

Praxis

Der per­sön­liche Glaube spielt nicht nur im Kon­text von Kirche und Gemeinde, son­dern auch in allen Bere­ichen des All­t­ags eine entschei­dende Rolle. Er man­i­festiert sich als imag­inierte Beziehung zu Gott und wird als solche ins­beson­dere durch Beten und Med­i­ta­tion kon­tinuier­lich weit­er­en­twick­elt. Das einzelne Mit­glied stellt sich Gott als jeman­den vor, mit welchem man in Gedanken kommuni­zieren kann. Dazu bedarf es nicht nur ein­er aus­geprägten Vorstel­lungskraft, die Ratio­nal­ität und Zweifel über­windet, son­dern auch Aus­dauer und Konzen­tra­tions­fähigkeit, um Gebete for­mulieren und göt­tliche “Antworten” iden­ti­fizieren zu kön­nen. Unter der Anleitung von Pas­toren und anderen Gemein­de­führern (bei­de sind in der Mehrzahl männlich) wird das Beten als die Schlüs­selfähigkeit erlernt, ohne die man mit Gott nicht in Kon­takt treten und so auch nicht erfahren kann.
Für diese stark indi­vid­u­al­isierte Prax­is ist die Rück­bindung an die Gemeinde, ins­beson­dere in Form des Gottes­di­en­stes, aber auch in Form von Kle­in­grup­pen, zen­tral. Der per­sön­liche Glaube und “Fortschritte” in der Beziehung zu Gott wer­den durch gemein­sames Sin­gen und Beten sowie das gegen­seit­ige Mit­teilen von Gottes­begeg­nun­gen zele­bri­ert. Lied­texte han­deln typ­is­cher­weise nicht von Gott, son­dern sind direkt an Gott gerichtet und the­ma­tisieren das enge Ver­hält­nis zu Einzel­nen; man betet durch Aus­rufe, Lachen, Weinen oder gewisse Bewe­gun­gen; Mit­glieder erzählen der Gruppe von Momenten der Gotte­ser­fahrung. Ergänzt wer­den solche gemein­schaftlichen Prax­en durch die Predigt des Pas­tors (wesentlich sel­tener der Pas­torin), in der häu­fig eine bes­timmte Bibel­pas­sage inter­pretiert und aus ihr Anleitung für die All­t­ags­gestal­tung gezo­gen wird. Der Bezug zur Lebenswelt der Einzel­nen ste­ht bei der Bibelin­ter­pre­ta­tion stets im Mit­telpunkt; die zen­trale Frage dabei ist, wie man das eigene Leben möglichst nah am Lebensstil und Ver­hal­ten Jesu aus­richt­en kann (imi­ta­tio Christi). Fern­er sind charis­ma­tis­che Ele­mente wie z.B. Glos­so­lalie, Wun­der­heilung oder Prophezeiung in vie­len Vine­yard-Gemein­den ein fes­ter Bestandteil von Gottes­di­en­sten, Kle­in­grup­pen und Sem­i­naren, spie­len aber sel­ten außer­halb dieser Kon­texte (also z.B. im Rah­men von größeren, öffentlichen Ver­anstal­tun­gen) eine Rolle.

Verbreitung

Laut eige­nen Angaben umfasst die Vine­yard Inter­na­tion­al Asso­ci­a­tion über 2.400 Gemein­den in 95 Län­dern (Stand: Novem­ber 2016). Genauere Mit­glieder­sta­tis­tiken existieren bis­lang nicht, da The Vine­yard trotz ihres ras­an­ten Wach­s­tums in den let­zten 35 Jahren z.B. bei Umfra­gen in den USA mit weit­eren kleineren charis­ma­tis­chen Bewe­gun­gen unter “Oth­er Evan­gel­i­cal” bzw. “Oth­er Pen­te­costal” gefasst wer­den. Vine­yard USA gibt an, dass der Großteil der rund 600 Vine­yard-Gemein­den in den USA vornehm­lich im Osten, in der Mitte des Lan­des und an der West­küste verteilt ist; im West­en gibt es ver­gle­ich­sweise wenige Gemein­den. Im deutschsprachi­gen Raum find­et sich die höch­ste Dichte an Vine­yard-Gemein­den in der Schweiz, gefol­gt vom Süd­west­en Deutsch­lands, Bay­ern und vere­inzelt um Köln, Ham­burg und in den neuen Bun­deslän­dern. In der REMID-Sta­tis­tik wer­den sie mit ein­er Eige­nangabe von 2012 zitiert, nach der ihnen im deutschsprachi­gen Gebi­et 6.000 bis 8.000 Per­so­n­en ange­hören.

Organisation

The Vine­yard zeich­net sich durch flache Hier­ar­chien und eine hor­i­zon­tale Organ­i­sa­tion­sstruk­tur aus. Anders als Cal­vary Chapel begreift sie sich in den USA als Denom­i­na­tion, d.h. als for­male Organ­i­sa­tion statt als los­er Ver­bund. Inter­na­tion­al, so auch im D.A.CH.-Verband, ist sie hinge­gen als Net­zw­erk aufge­baut. Solche flachen Struk­turen ermöglichen Flex­i­bil­ität, ins­beson­dere in Bezug auf Wach­s­tum: neue Gemein­den kön­nen ver­gle­ich­sweise schnell und unkom­pliziert etabliert und Frei­willige der jew­eili­gen Sit­u­a­tion vor Ort angemessen einge­set­zt wer­den, damit die Gemeinde wächst. Zusät­zlich zieht eine net­zw­erkar­tige statt hier­ar­chis­che Organ­i­sa­tion durch gesteigerte Gestal­tung­sop­tio­nen des Gemein­delebens mehr Mit­glieder an. Trotz dieser Par­tizipa­tion­s­möglichkeit­en zeich­nen sich die einzel­nen Gemein­den durch eine klare Zen­tral­isierung auf den Pas­tor (sel­tener die Pas­torin) aus. Der Pas­tor ist der spir­ituelle Leit­er der Gemeinde und sein Wort hat bei den Mit­gliedern großen Ein­fluss. Leit­er wer­den mit Coach­ings geschult; neue Gemein­den ori­en­tieren sich an Konzepten wie z.B. „Natür­liche Gemein­deen­twick­lung“ (nat­ur­al church devel­op­ment).

Kontaktadressen

Nation­al Office Vine­yard USA
5115 Grove West Blvd.
Stafford, TX 77477
USA

Vine­yard D.A.CH.
Korn­haus­platz 18
Post­fach 647
CH – 3011 Bern

Schriften

Wim­ber, John and Kevin Springer: Pow­er Evan­ge­lism. 2nd Edi­tion. Bloom­ing­ton: Cho­sen Books, 2009.
Nathan, Rich and Ken Wil­son: Empow­ered Evan­gel­i­cals. Bring­ing Togeth­er the Best of the Evan­gel­i­cal and Charis­mat­ic Worlds. 2nd Edi­tion. Boise: Ample­ton Pub­lish­ing, 2009.

Literatur

Miller, Don­ald E.: Rein­vent­ing Amer­i­can Protes­tantism. Chris­tian­i­ty in the New Mil­len­ni­um. Berke­ley: Uni­ver­si­ty of Cal­i­for­nia Press, 1997.
Luhrmann, T. M.: When God Talks Back. Under­stand­ing the Amer­i­can Evan­gel­i­cal Rela­tion­ship with God. New York: Vin­tage Books, 2012.
Labanow, Cory E.: Evan­gel­i­cal­ism and the Emerg­ing Church. A Con­gre­ga­tion­al Study of a Vine­yard Church. 2nd Edi­tion. Lon­don: Rout­ledge, 2016.

Autorin: Dr. Maren Freuden­berg © REMID 2016

Kurz­in­for­ma­tion Reli­gion „Vine­yard“ als PDF-Datei

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