Wer hätte gedacht, dass in der Rubrik “Non Profit” bei dem Facebook Statistik-Service von socialbakers.com den ersten Platz die muslimische Seite ILoveAllaah.com einnimmt mit 8,48 Mio. Fans mehrheitlich aus Indonesien (35.7 %), Malaysia (14.8%), Ägypten oder Pakistan (jeweils ca. 5%)? Insofern bewirbt sie sich auch selbst, als die beliebteste muslimische Seite im Facebook. Nun sind in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Anteile der Bevölkerung (a) überhaupt online, (b) haben Zugang zu speziell diesem sozialen Netzwerk und (c) nutzen eben dieses z.B. anstatt einer der vielen möglichen Alternativen. Allerdings zeigen die World Maps of Social Networks von Vincenzo Cosenza, dass Facebook allmählich seine Konkurrenz verdrängt. Während Teile Südamerikas 2010 und Indien 2007 noch Orkut bevorzugten, ist beides im Juni 2012 in der Hand Facebooks. Nur China und Russland und einige angrenzende Gebiete sind heute noch nicht “erobert”.
Bilder von Vincenzo Cosenza unter Creative Commons Lizenz CC-BY-NC.
Den zweiten Platz nimmt – und das ist vielleicht weniger eine Überraschung – eine amerikanische Organisation ein. “Freedom Works” mit 4,25 Mio. Fans versteht sich als “Bildungseinrichtung” und wirbt für weniger Steuern, weniger Staat und ökonomische Freiheit. Aufgefallen sind sie durch zweifelhafte Methoden wie “Astroturfing“. Inwiefern auch ihre fast ausschließlich aus US-Bürgern bestehenden Fans vielleicht gefakt sein könnten, entzieht sich der Überprüfbarkeit. Der Organisation wird eine Nähe zur “Tea Party” zugesprochen.
Das Angebot von GodVine.com auf dem dritten Platz ist zweierlei: Auf dem christlich-protestantischen Videoportal finden sich sowohl glaubensbezogene Channel als auch solche, welche die Schönheit der Schöpfung mittels niedlicher Tiervideos demonstrieren. Die 3,45 Mio. Fans kommen zu 77.9% aus den USA.
Gerade noch die Hälfte der drei Mio. Fans von “Invisible Children Inc.” stammt aus Amerika, alle anderen sind weit gestreut (2.5% aus Deutschland). Bekannt geworden ist die Non-Profit-Organisation auf Platz 4 mit ihrer Kampagne “Kony 2012“. Ziel war es, dass der ugandische Rebellenführer und mutmaßliche Kriegsverbrecher Joseph Kony verhaftet werden sollte. Dies geschah durch direkte Unterstützung einer der Konfliktparteien in Uganda und mittels Darstellungen, in denen Fakten verfälscht und zudem Klischees über Afrika transportiert worden seien (vgl. zu Uganda allgemein das Interview “Live von einer Feldforschung“).
Interessant an der UNICEF auf dem fünften Platz ist insbesondere, dass die größten Anteile der 2,55 Mio. Fans aus Portugal (10.2%), Argentinien (8.6%), dann USA (5.9%), Indien (4.6%) und Indonesien (3.8%) kommen. Es folgt die von dem Browsergame-Spieleentwickler Zynga ins Leben gerufene Non-Profit-Organisation Zynga.org, welche Charity-Spiel-Wettbewerbe durchführt und mit den Einnahmen z.B. die Organisation Water.Org unterstützte, welche Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht. 30% der 2,55 Mio. Fans stammen wieder aus den USA, die übrigen sind weit verteilt (zwischen 4% und 6.2%: Philippinen, Italien, Großbritannien und Türkei).
Im Anschein dieser Statistik als weltweit 7. einflussreiche Non-Profit-Organisation erscheint die stärkste US-Waffenlobby-Organisation National Rifle Association mit 2,29 Mio. Fans, die zu 95.4% US-Bürger sind. Anders sieht es bei der Zweigstelle der katholischen “Kongregation des Heiligsten Erlösers” (auch Redemptoristen genannt) im amerikanischen Denver aus, deren Facebook-Seite “Our Mother of Perpetual Help” (das Gnadenbild “Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe”) 69% ihrer 2,29 Mio. Fans aus den Philippinen bezieht (und nur 7.1% aus den USA). Der neunte Platz geht an Wikileaks. Die Whistleblower-Plattform hat dabei die bisher intensivste Fan-Streuung. Den größten Fan-Anteil haben die USA mit gerademal 12% der Fans, gefolgt von Indien (6.9%), Deutschland (6.5%) und Spanien (4.8%). Das Schlusslicht der Top 10 ist die britische Organisation “Maximum Respect for the British Armed Forces supporting the RBL” mit 2,08 Mio. Fans (zu 92.2% UK-Landsleute).
Organisationen wie Greenpeace (Plätze 17, 19 und 20 mit besonderer Fan-Stärke in den USA und Argentinien) oder Amnesty International (AI-USA ist Platz 47) spielen insgesamt eher im Mittelfeld. Allerdings gehört z.B. Greenpeace Argentinia zu den am meisten wachsenden Non-Profit-Organisationen derzeit mit +6 169.
Schaut man in die regionalen Daten z.B. für Deutschland, gilt hierzulande die Non-Profit-Aufmerksamkeit insbesondere der Deutschen Knochenmarkspenderdatei, PETA, dem WWF, Foodwatch, Greenpeace, Ärzte ohne Grenzen, dem Deutschen Roten Kreuz, dem deutschen Jugendherbergsverband, dem Vegetarierbund und Amnesty International (Plätze 1-10). Zum Beispiel in Südafrika nimmt den ersten Platz die “Rhinose Foundation Rhinose Day” ein, welche über den Wert von Nashörnern aufklären möchte.
Ähnliche Services bietet socialbakers.com auch für z.B. Twitter. Der Non-Profit-Sektor wird hier dominiert von der NASA, der UNICEF, von “Ted talks” (Konferenzvorträge über Technologie, Entertainment und Design mit Creative Commons Lizenz) und Charity: Water. Bei Youtube sind es Greenpeace Russland und der armenische Kanal “CivilNet TV”.
Religionen sind teilweise mit von der Partie, aber bei weitem nur einer von vielen Akteuren im Non-Profit-Bereich der sozialen Netzwerke (vgl. Interview über religiöse Non-Government-Organisationen und Interview über Religionen online). Gerade Tier- und Naturschutz übertrumpfen hier – von wenigen Ausnahmen abgesehen. Insgesamt fällt auch der problematische Einfluss von z.B. der amerikanischen Waffen-Lobby oder von Tea-Party-Thinktank “Freedom Works” auf. Ebenso die entscheidende Rolle des ganzen Bereiches als symbolisches Kapital, in welches so manche profitorientierte Unternehmung investiert – wie beim Spiele-Hersteller Zynga. Und um symbolisches Kapital geht es überhaupt bei diesen Listen bzw. um ideologische Dominanz. Für diese gilt jenseits der speziellen Topliste für das Tag “nonprofit” mindestens in der Facebook-Welt insgesamt: Unsere Gedanken beherrschen so gesehen also Coca Cola (62 Mio. Fans) und Walt Disney (43 Mio.). Bekanntlich steckt in jedem Scherz ein Funken Wahrheit.
Kris Wagenseil