Das 20. Symposium der Studierenden der Religionswissenschaft fand vom 09. bis 12. Mai 2013 in Marburg statt. Das Thema der Tagung “Religion was here – Religion und Populärkultur” wurde in vielen studentischen Vorträgen aufgegriffen und diskutiert. Das Symposium geht auf eine studentische Initiative zurück und fand vor zwanzig Jahren zum ersten Mal in Marburg statt. Seitdem wechselt es jährlich seinen Standort. Die viertägige Tagung bot Studierenden der Religionswissenschaft die Gelegenheit mit Kommilitonen und Kommilitoninnen in Kontakt zu kommen, neue Studienstandorte und -schwerpunkte kennen zu lernen und aktuelle Themen in Vorträgen, Diskussionen und Workshops gemeinsam zu erarbeiten. Dabei wurde das breite Spektrum der religionswissenschaftlichen Themen auf kreative Weise aufgegriffen und dargestellt. Studierende von Universitäten aus dem deutschsprachigen Raum präsentierten ihre Ergebnisse aus Abschlussarbeiten, Forschungsprojekten oder Hausarbeiten.
Religion und Musik
Ein Fokus des diesjährigen Symposiums lag dabei auf dem Verhältnis von Religion und Populärkultur. Dies wurde besonders am Beispiel des Forschungsthemas Musik deutlich. Dazu gab es Vorträge wie beispielsweise “Germanische Mythologie, Runenmagie und harte Gitarren im esoterisch-okkulten Orden Dragon Rouge” zum Thema Neopaganismus. In einem weiteren Vortrag wurden verschiedene christliche Heavy-Metal-Bands (“White Metal“) vorgestellt und die grundlegende Frage nach dem religionswissenschaftlichen Umgang mit Musik aufgeworfen. Des Weiteren beschäftigte sich ein Vortrag mit dem Ex-Beatle George Harrison und der Veröffentlichung von “My Sweet Lord”. Neben Musik umfasste der Themenbereich auch die Präsenz von Religion in klassischen und neuen Medien, wie zum Beispiel im Internet. Deren Einfluss auf Religionen wurde am Beispiel christlicher Websites untersucht. Einer der Vorträge trug den Titel “Christliche Web 2.0 Anwendungen” und beschäftigte sich unter anderem auch mit Säkularisierungstheorien.
Religion in Comic und Film
Viele Vorträge widmeten sich auch dem Medium Film, beispielsweise der Verfilmung von Comics und Romanen. So warf der Vortrag “‘Nazar‘, religiöse Augen-Blicke im indischen Film” ein neues Licht auf die Darstellung des “Bösen Blicks” und seiner Folgen. Zudem wurde die Darstellung von altnordischer Mythologie am Beispiel des Films “Thor” thematisiert. Religiöse Elemente wurden darüber hinaus auch im gegenwärtig aufblühenden Genre des Vampirromans gesucht und gefunden. Beim Vortrag “Die Peanuts” wurde die Frage aufgeworfen, ob die Charaktere dieser Comicserie Ähnlichkeiten zu Akteuren in mythischen Erzählungen aufweisen. Ein weiterer Vortragender informierte das Publikum über religiöse Elemente im japanischen Manga.
Empirische Beispiele für Religion und Populärkultur
Neben der analytischen Betrachtung von Medien wurden auch studentische Forschungsergebnisse präsentiert. So fragte einer der Vortragenden nach der Bedeutung des Festes der Züricher Stadtheiligen Felix und Regula. Darüber hinaus erfuhren die Zuhörenden mehr über eine Feldforschung über die Evangelisation bei Massenveranstaltungen von Jesus House. Anschließend folgte ein Beitrag über ein Projekt zu Missionsberichten von Jesuiten. Ebenfalls empirisch ausgerichtet war die Schilderung über die Eindrücke aus dem Afghan Hindu Tempel in Frankfurt.
Religionswissenschaft in Theorie und Praxis
Die Teilnehmenden beschäftigten sich aber ebenfalls mit eher theoretischen Fragestellungen sowie mit der Aktualität und dem Selbstverständnis der Religionswissenschaft. Es wurde beispielsweise Hans Haas, ein früher Vertreter der Religionswissenschaft, vorgestellt und somit auch die Geschichte des Fachs thematisiert. Überlegungen zur Anwendbarkeit von Ernesto Laclaus Theorie der diskursiven Hegemonie fanden genauso Beachtung wie Modelle zur möglichen Entstehung der Feuerzeremonien im Zoroastrismus. Die Geschichte der Sikhs in Europa und Überlegungen zu Altersbildern im Judentum wurden ebenso dargelegt.
Eine aktuell gesellschaftliche Kontroverse wurde in Form der Beschneidungsdebatte in Deutschland behandelt. An diesem Beispiel wurden auch die Selbstpositionierung der Religionswissenschaft und ihre Relevanz in der Öffentlichkeit diskutiert. Eine Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Kultur, Religion und dem “Populären” wurde auf systemtheoretischer Basis vorgenommen. Dabei standen die Folgen für institutionalisierte Religion und für die Gesamtgesellschaft im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Theorien einer Säkularisierung wurde in mehreren Vorträgen aufgegriffen und in Bezug zu religionswissenschaftlichen Fragestellungen beleuchtet.

Teile der Tagung fanden in den Räumlichkeiten der Religionswissenschaft statt.
Weitere Vorträge und Workshops
Es gab auch Überscheidungen zu anderen Disziplinen, zum Beispiel der Ethnologie oder Soziologie. Raumtheorien und Märchenforschung bis hin zu praktischen Anwendbarkeit in Institutionen wie Schule und Krankenhaus. Weitere diesbezügliche interdisziplinär angelegte Vorträge waren: “Die Gebrüder Grimm und die 15 Counterintuitive-Knowledge-Domains” (zu diesem kognitionstheoretischen Ansatz demnächst mehr im Interview), “Wo beten sie denn? – Religionstopologie” und “Tempel und Schule – entwicklungspolitisches Engagement buddhistischer Gruppen im Bangladesch”. Die Frage nach der Wahrnehmung und Bedeutung der Religion von Angestellten im Gesundheitswesen wurde vor dem Hintergrund der kultursensiblen Pflege in Krankenhäusern besprochen.
Eine Möglichkeit zum kreativen Austausch boten neben den Vorträgen auch Workshops, wie “That’s a damn fine religion!”, in dem die Teilnehmenden über die klassischen Perspektive der Religionswissenschaft hinausgingen. Die gängige religionswissenschaftliche Arbeit eines möglichst neutralen, deskriptivem Erforschens vorhandener Religionen wurden hierbei zurückgestellt zugunsten der Frage, welche Elemente eine Religion gesellschaftlich erfolgreich werden könnten. Am Ende entstanden so selbst entworfene Religionen. Interessant für Studierende, die eine Promotion anstreben, war auch das Angebot einer Veranstaltung zur wissenschaftlichen Weiterqualifikation.
Öffentliche Podiumsdiskussion
Anschließend an die Vorträge fand am Samstag eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema “Macht Religion Spaß? – Profanierung, Profilierung oder Provokation des Religiösen in einer Mediengesellschaft” statt. Auf dem Podium diskutierten Prof. Dr. Adelheid Herrmann-Pfandt (Religionswissenschaft, Indologie, Tibetologie) und Dr. Pierre Hecker (Islamwissenschaft) aus Marburg sowie Dr. Robert Langer aus Heidelberg (Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients) und Dr. Kerstin Radde-Antweiler aus Bremen (Religionspädagogik & -wissenschaft). Einleitende Worte zur Begrüßung sprach Prof. Dr. Edith Franke (Professorin für Allgemeine und Vergleichende Religionswissenschaft am Fachgebiet Religionswissenschaft). Moderiert wurde die Diskussion von Mirko Roth M.A (seit 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Instituten für evangelische Theologie und Religionsgeschichte in Marburg) und Celica Fitz (Studentin der Religionswissenschaft). Unter den Diskussionsteilnehmende waren Dr. Robert Langer, der aus seinen Schwerpunkten zu populären und lokalen Formen des Islams sowie zur individuellen “Islamizität” zur Diskussion beitrug. Außerdem sprach Dr. Pierre Hecker über seine Erfahrungen mit “Heavy Metal in a Muslim Context” in der Türkei. Die Diskussion über Populärkultur, Religion und Medien konnte Dr. Kerstin Radde-Antweiler um ihren Forschungsschwerpunkt der Virtuellen Welten, Onlinerituale und Religion im Internet bereichern. Des Weiteren ließ Adelheid Herrmann-Pfandt ihr Erkenntnisse über die Bedeutung religiöser Elemente im indischen Film in die Diskussion einfließen. Es wurden viele Aspekte von Religion und Populärkultur eingebracht und es fanden sowohl die Elemente Film, Internet, Musik als auch Unterhaltung Erwähnung. Das Verhältnis von Religion und Spaß wurde dabei kontrovers diskutiert und sowohl Innenperspektive der Gläubigen als auch die Perspektive der Forschenden angesprochen. Bezogen auf den Titel wurde auf die Bedeutsamkeit von Macht im Diskurs hingewiesen.

Ein besonderer “Hingucker” war der Gebetomat, in dem man sich Gebete verschiedener Religionen anhören konnte. Ein Klick auf das Bild führt zur Webseite des Künstlers (gebetomat.de).
Das Rahmenprogramm
Um den studentischen Austausch und die Vernetzung deutschlandweit zu fördern, waren Programmpunkte vorgesehen, die über die inhaltliche Diskussion hinausgingen und außerdem zum Kennenlernen des Universitätsstandortes Marburg beitrugen. Neben einem Schlossgang am ersten Tag wurden Exkursionen zu verschiedenen religionsbezogenen Themen (Judentum, Neue Religionen, Öffentliche Populärkultur, Religionskundliche Sammlung, Islamische Ausstellung) in Marburg angeboten. Am Sonntag den 12. Mai fand der internationale Museumstag statt. Diesem schloss sich auch die Religionskundliche Sammlung Marburg an. Präsentiert wurden dabei die Schätze der Sammlung, wie beispielsweise asiatische und amerikanische Objekte und auch Artefakte zu weiblichen religiösen Akteuren.
Das vielfältige Rahmenprogramm trug zusammen mit den kreativen Vorträgen und Workshops dazu bei, dass das diesjährige Symposium von allen Beteiligten als sehr gelungen wahrgenommen wurde. Es bot die Möglichkeit, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und neben vielen neuen Bekanntschaften auch frische Impulse für die eigene religionswissenschaftliche Arbeit mitzunehmen.
Angelegt an die Tagung gibt es neben der diesjährigen Internetpräsenz seit neuestem auch eine Facebookseite. Neben einer filmischen Dokumentation ist auch die Herausgabe eines Tagungsbandes zum Symposium 2013 in Marburg angedacht. Das nächste Symposium wird Ende Mai 2014 in Bremen stattfinden. Um die während des Symposiums aufgeworfenen Fragen zum Verhältnis von Theorie und Empirie zu vertiefen, wird es im September 2013 die Möglichkeit geben, auf der Tagung des Dachverbandes der Religionswissenschaft (vgl. dazu Artikel: Was forschen ReligionswissenschaftlerInnen aktuell in Deutschland?) diesen nachzugehen. Berichtet über das Symposium bereits als Podcast zu finden.
Alisha Meininghaus und Jennifer Krause