»Wo Strukturen existieren, die Othering begünstigen« – Islam-Darstellungen in evangelischen und katholischen Schulbüchern

Janosch Freuding, 1987 in Füssen geboren, studierte Germanistik, Katholische Theologie und Islamwissenschaften in Augsburg und Bamberg. Nach einem Austauschjahr an der Universität Izmir initiierte er das länderübergreifende deutsch-türkische Jugendfilmprojekt bu bizimki / es sind wir. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache promoviert Janosch Freuding heute im Fach Religionspädagogik an der Universität Bamberg über Othering und interreligiöses Lernen. Seit 2014 schreibt er regelmäßig für das MiGAZIN. Im Gespräch mit dem Philosophen und Erziehungswissenschaftler Alexander Graeff berichtet Janosch Freuding über Formen des Othering in evangelischen und katholischen Religionslehrwerken.

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Die Maxime “Theologie ist nicht Religionswissenschaft” und die Debatte um den Islam

 

Im heutigen Interview mit mit der Religions- und Islamwissenschaftlerin Assia Harwazinski (Tübingen) geht es um die unterschiedlichen Perspektiven und Zugänge von Islamwissenschaft und Religionswissenschaft, die Rolle der Theologien und das Verhältnis von Säkularität, Wissenschaft, Islam und Christentum.

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Wenn die “Theologie” der Religionskritiker*innen auf “konfessionslose” Islambilder trifft

Im “Freitag” finden sich aktuell zwei Beiträge zum Berliner Neutralitätsgesetz. Auf die Startseite als Empfehlung aus der Community geheftet wurde “Die Krux mit der Religion” von David Danys (24. Mai). Die Parteilinie der Linken in Berlin wolle für “Säkulare und gemäßigte Muslime und Muslima wie Atheisten und Atheistinnen mit islamischem Hintergrund, Vorkämpfer und Vorkämpferinnen einer emanzipierten Kultur in muslimisch geprägten Sphären” nicht das Wort ergreifen, sondern paktiere mit ihren islamistischen Unterdrückern. Daneben bzw. weiter oben steht der Beitrag von Cornelia Möhring und Christine Buchholz, “Gegen jeden Zwang – Das Berliner Neutralitätsgesetz beruht auf Vorurteilen, es macht Muslimas das Leben schwer”, ein redaktioneller Beitrag vom 28. Mai. Der Zwang, ein Kopftuch zu tragen, sei ebenso abzulehnen wie der Zwang, es abzusetzen. Dem ersten Beitrag nicht gänzlich unähnlich in der Argumentationsweise erschien ein Beitrag von Michael Schmidt-Salomon im Humanistischen Pressedienst, “Marx macht mobil. Der Marx-Hype in Trier und die linke Aversion gegen Religionskritik”, bereits am 8. Mai. Der Autor ist Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, die “keine ‘atheistische’, sondern – wie die meisten führenden Wissenschaftler heute – eine ‘naturalistische’ Position” vertrete, “[d]as heißt: Wir gehen davon aus, dass es im Universum ‘mit rechten Dingen zugeht’, dass weder Götter noch Geister noch Kobolde oder Dämonen in die Naturgesetze eingreifen”. Wie der letzgenannte Beitrag zeigt, geht es hier nicht allein um eine spezifische Diskussion eines besonderen politischen Milieus. Dennoch ist diese scheinbar paradoxe Situation möglicherweise auflösbar.

Bild von A Gude unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 2.0: Koran-Manuskript 12. Jahrhundert (Symbolbild).

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“Born again” – Interview mit den Herausgebern des Handbuchs Evangelikalismus

Die Religionswissenschaft als Disziplin folgte zur Zeit ihrer Entstehung einem Kompromiss mit den christlichen Theologien, der auch den missionswissenschaftlichen Interessen der letzteren geschuldet war und ihr als Aufgabengebiet die nicht-christlichen Religionen außerhalb Europas zuwies. Neue religiösen Bewegungen und Diaspora-Gemeinschaften sogenannter “Weltreligionen” in Europa waren Themen, mit denen bereits Ende des letzten Jahrhunderts das Profil der Religionswissenschaft aktualisiert wurde, begleitet von einer kritischen Diskussion der Methoden und ihrer Ergänzung um insbesondere sozialwissenschaftliche Zugänge. Insofern ist eine religionswissenschaftliche Christentumsforschung ein wichtiges Anliegen, das trotz aller theologischer und auch religionskritischer Literatur zum Christentum aktuell bleibt. Am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) der Ruhr-Universität Bochum (religionsforschung.de) ist jetzt ein “Handbuch Evangelikalismus” (transcript 2017) entstanden. REMID interviewte die drei Herausgeber Dr. Frederik Elwert, Dr. Jens Schlamelcher und Dr. Martin Radermacher (zum Thema entstanden mit ihm Interviews zu Ambivalentes Verhältnis zur Moderne: Was ist eigentlich die Pfingstbewegung und warum ist sie global so erfolgreich? mit Dr. Sebastian Schüler 2015, Devotionale Fitness – Körperideale in evangelikaler Perspektive 2011).

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Mit Parallelen zu islamistischen Ideologien: “Christlicher Extremismus in Deutschland”

REMID engagiert sich schon länger für eine Kritik der Begriffe, mit denen Religionen in der Öffentlichkeit verhandelt werden, wie zum Beispiel dem der “Sekte”. Unser satzungsgemäßes Ziel, „ein friedliches und tolerantes Zusammenleben der Menschen und der verschiedenen Religionen“ zu befördern, hat Religionsfreiheit grundsätzlich zu einem wichtigen Thema werden lassen (vgl. unsere Themenseite). Ein Aspekt davon ist auch die wissenschaftliche Differenzierung zwischen Diskriminierung und Kritik. Das gilt für die Rhetorik über sogenannte “Sekten” genauso wie für diejenigen Formen von sogenannter “Islamkritik”, welchen mit soziologisch fundierbaren Gründen rassistische Züge zugeschrieben werden können. Diesen undifferenzierten und zu Recht zu problematisierenden Kritikformen gegenüber benötigt es religionskritische Arbeiten zu konkreten Gemeinschaften oder Gruppen. Eine solche hat der Politikwissenschaftler Alexander Kühn jetzt vorgelegt: “Christlicher Extremismus in Deutschland. Das Verhältnis der Partei Bibeltreuer Christen, Christliche Mitte, Priesterbruderschaft St. Pius und Zeugen Jehovas zum demokratischen Verfassungsstaat” (2017). Die Arbeit entstand unter Rückgriff auf das REMID-Archiv. Der Titel klingt provokant, als “extremistisch” gelten sonst immer die anderen, die Islamisten oder Scientology. Aber auch wer den Extremismusbegriff problematisiert, kommt nicht an der Frage vorbei, wie “legalistischer” bis terroristischer “Islamismus” mit besseren begrifflichen Mitteln parallelisiert werden kann mit berechtigterweise zu problematisierenden Ideologemen in anderen Religionen einschließlich des Christentums (man vgl. aber z.B. auch Hyperkultur und Kulturessenzialismus nach Andreas Rechwick). REMID interviewte Herrn Kühn zu seiner Arbeit.

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Religionsbarometer und Varianz: Hass-Prävention mit Religionswissenschaft?

Wer klassisch in eine Einführung in die Religionswissenschaft schaut, wird erfahren, dass zunächst zwei Varianten der Definition von “Religion” differenziert werden können. Auch Anfragen in Seminaren, für welche REMID gebucht werden kann, fordern immer wieder eine Definition ein. Sie kennen selbst bereits eher die “essenzialistische” Variante, die einen “Kern”, ein “Wesen” von “Religion” in den Mittelpunkt stellen möchte, z.B. den Glauben an höhere Wesen, “Rückbindung” (als eine populäre Etymologie von “religio”) oder “Transzendenz”. Die Diskussion entwickelt dabei zugleich die zweite “funktionalistische” Variante, nach welcher der gesellschaftliche Funktionszusammenhang erlaube, das als “Religion” zu begreifen, was einem vergleichbaren Zweck diene (vgl. auch Ninian Smart: Dimensions of the Sacred. An Anatomy of the World’s Beliefs, 1999). Dem sei im Folgenden die Erfahrung mit einem “Religionsbarometer” gegenübergestellt. Jede_r Seminarteinehmer_in sollte bestimmte Sätze beurteilen und sich für eine von fünf Karten entscheiden, um zu sagen, das im Satz beschriebene sei zu 0%, zu 30%, zu 50%, zu 70% oder zu 100% Religion. Vorbild war ein “Gewaltbarometer” aus der Präventionsarbeit (“Gewalt Sehen Helfen”), das dafür sensibilisieren will, dass Gewaltempfindungen subjektiv stark voneinander abweichen können. Dabei geht es nicht darum, dass “Religion” etwas Negatives wie “Gewalt” sei, vielmehr eignet das Religionsbarometer als Instrument, auf ein grundsätzliches Problem mit nicht naturwissenschaftlich quantifizier- und kategorisierbaren Begriffen hinzuweisen. Auch erläutert es ihre Rolle in identitätspolitischen Diskursen.

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Trendreport 2017: Migration, Rezession, “Regression” und Ressentiment

Es ist jetzt vier Jahre her, dass zuletzt ein sogenannter “Trendreport” auf dem REMID-Blog erschienen war (vgl. Trendreport 2013). Was ergibt ein Blick auf die “geistige Situation der Zeit” – Untertitel von “Die große Regression” (hrsg. von Heinrich Geiselberger, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2017) mit Bezug auf das Werk “Die geistige Situation der Zeit” des Philosophen und Psychiaters Karl Jaspers von 1932 sowie auf die (ökonomische) Rede von einer “Großen Rezession” seit 2008 (vgl. dazu insbesondere den Beitrag von César Rendueles, S. 233-252)? Kann sich ein “Trendreport” überhaupt noch mit einer lediglich nationalen Perspektive – also auf das Religions- und Weltanschauungsgeschehen Deutschlands – begnügen?

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Religionswissenschaft & Gender Studies: Selbstbestimmungsrechte und Theorie

Dieser Essay ist vielfach motiviert: Die neue Meta-Diskussion, die Prof. Christoph Kleine kürzlich eröffnete, gehört dazu (auf dieses Interview werden alsbald weitere folgen); Überlegungen zum Thema Religion und Journalismus; das zuletzt erschienene Interview mit Dr. Dana Fennert, insofern dort neben islamischem Feminismus über eine global und interreligiös vernetzte Pro-Familie-Bewegung berichtet wurde; und schließlich eine Art Kampagne der lokalen Marburger Presse über einen Vortrag, der teilweise wegen Ausladung des Referenten und teilweise wegen Absage durch den Referenten gar nicht stattfinden wird. Was diese unterschiedlichen Dinge miteinander zu tun haben könnten, möchte ich im Folgenden eruieren. Damit aber die Stoßrichtung unmittelbar klar wird: Die Gender Studies liefern so etwas wie das theoretische Rüstzeug für gesellschaftlich-politische Akteur_innen, welche das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung stärken wollen; die Religionswissenschaft könnte eine ähnliche Rolle in ihrem Feld von Religion, Spiritualität, Weltanschauung übernehmen. Dann ginge es um religiöse und weltanschauliche Selbstbestimmung. Die angedeutete Theorie- und Methoden-Diskussion hängt damit aber zusammen, denn die Analogüberlegung mit den Gender Studies zu Ende zu denken bedeutet, entsprechend den sexuellen Minderheiten gerade auch die Belange der religiösen und weltanschaulichen Minderheiten ernstzunehmen. Das hat theoretische Konsequenzen. Das wäre auch eine normative Entscheidung.

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“No negations of any kind!” – Islamischer Feminismus versus Pro-Familie-Bewegung

Dana Fennert (Universität Marburg) promovierte im Sonderprogramm “Islam, Moderner Nationalstaat und Transnationale Bewegungen” der Gerda-Henkel-Stiftung und zuvor im DFG-Kolleg “Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs” der Universität Rostock über “Islamischer Feminismus versus Pro-Familie-Bewegung. Transnationale Organisationsformen” (2015). Das Buch findet seine Ergänzung durch einen von Dana Fennert produzierten Dokumentationsfilm “Musawah: Der Kampf um Gleichberechtigung im Islam” (2016; auch in Englisch und Französisch verfügbar). REMID interviewte die Politikwissenschaftlerin zur Geschichte der Frauenbewegung, islamischen Feminismus und das transnationale Netzwerk der Pro-Familie-Bewegung.

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