Groschopps “Konzeptionen des Humanismus”: Zeugnis der Uneindeutigkeit eines religionswissenschaftlich relevanten Begriffes

In diesem Gastbeitrag rezensiert Stefan Schröder von der Universität Bayreuth die Neuerscheinung des Kulturwissenschaftlers und freigeistigen Aktivisten Dr. habil Horst Groschopp mit dem Titel „Konzeptionen des Humanismus“ (Konzeptionen des Humanismus. Alphabetische Sammlung zur Wortverwendung in deutschsprachigen Texten. Mit einer Bibliographie [Humanismusperspektiven, 4]. Aschaffenburg: Alibri 2018). Das im Alibri-Verlag erschienene Werk hat den Charakter eines Nachschlagewerks und trägt Kombinationen des Humanismusbegriffs bzw. seiner Adjektivform „humanistisch“ zusammen. Für die Religionswissenschaft kann es Ausgangspunkt für eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem im Religionsdiskurs allgegenwärtigen Begriffskonzept sein.

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Von Agnostizismus bis Säkular: Eine Zusammenstellung zu nichtreligiösen Weltanschauungen

Unter einem früheren ‘A-Z’, nämlich “Religion und Vorurteil von A-Z” (2015; man siehe aber auch Buddhas Drittes Auge – Populäre religionsgeschichtliche Irrtümer von A bis Z, 2015), kommentierte ein Leser, “eine schöne Erweiterung wäre mit der Aufnahme von ‘Atheismus’ denkbar, der im Bereich der Vorurteile für und wider Religion wohl eine ähnlich schillernde Rolle spielt, wie Säkularisierung/-rismus (die auch passend in dieser Reihe wären)”. Nun soll es aber an dieser Stelle weniger um “Vorurteile für und wider Religion” gehen, auch wenn hier und dort auch besondere religionwissenschaftliche Anmerkungen erfolgen, die man in dieser Hinsicht nennen könnte. Vielmehr soll es insbesondere um “Vorurteile für und wider Nichtreligion” gehen. Denn auch hier ist vielleicht die Religionswissenschaft ein guter Ansprechpartner, um zwischen z.B. Philosophie und den Theologien der Religionen zu vermitteln. Einerseits, weil die Möglichkeit des Nichtglaubens eine Bedingung der Möglichkeit überhaupt ist, so etwas wie eine vergleichende Religionswissenschaft sinnvoll betreiben zu können. Andererseits, weil schon aus religionsstatistischen Gründen auch diejenigen in den Blick kommen, die sich nicht religiös verorten. Zum Thema vergleiche aber auch unseren Themenschwerpunkt “Weltanschauungen und Säkularität”.

Bild von Albert Bridge unter Creative Commons Lizenz CC BY-SA 2.0.

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Freigeistige Organisationen als Gegenstand der Religionswissenschaft: Typen, Strategien, Widersprüche

Diesen Monat erschien die Dissertation von Stefan Schröder (Universität Bayreuth), Freigeistige Organisationen in Deutschland. Weltanschauliche Entwicklungen und strategische Spannungen nach der humanistischen Wende (Berlin: De Gruyter). Wir konnten ihn für ein Interview gewinnen. Und auch wenn unklar ist, für welchen Anteil der Menschen ohne Zuordnung in der REMID-Statistik die freigeistigen Verbände wie der Humanistische Verband Deutschlands (HVD), der (größtenteils deutsche) Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) oder die Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) ein Sprachrohr sein könnten, die Strategien und weltanschaulichen Konzepte, um die es im Interview gehen wird, strahlen weit über die 0,05 Mio. an Mitgliedschaften und 0,35 Mio. geschätztes Umfeld.

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Wenn die “Theologie” der Religionskritiker*innen auf “konfessionslose” Islambilder trifft

Im “Freitag” finden sich aktuell zwei Beiträge zum Berliner Neutralitätsgesetz. Auf die Startseite als Empfehlung aus der Community geheftet wurde “Die Krux mit der Religion” von David Danys (24. Mai). Die Parteilinie der Linken in Berlin wolle für “Säkulare und gemäßigte Muslime und Muslima wie Atheisten und Atheistinnen mit islamischem Hintergrund, Vorkämpfer und Vorkämpferinnen einer emanzipierten Kultur in muslimisch geprägten Sphären” nicht das Wort ergreifen, sondern paktiere mit ihren islamistischen Unterdrückern. Daneben bzw. weiter oben steht der Beitrag von Cornelia Möhring und Christine Buchholz, “Gegen jeden Zwang – Das Berliner Neutralitätsgesetz beruht auf Vorurteilen, es macht Muslimas das Leben schwer”, ein redaktioneller Beitrag vom 28. Mai. Der Zwang, ein Kopftuch zu tragen, sei ebenso abzulehnen wie der Zwang, es abzusetzen. Dem ersten Beitrag nicht gänzlich unähnlich in der Argumentationsweise erschien ein Beitrag von Michael Schmidt-Salomon im Humanistischen Pressedienst, “Marx macht mobil. Der Marx-Hype in Trier und die linke Aversion gegen Religionskritik”, bereits am 8. Mai. Der Autor ist Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, die “keine ‘atheistische’, sondern – wie die meisten führenden Wissenschaftler heute – eine ‘naturalistische’ Position” vertrete, “[d]as heißt: Wir gehen davon aus, dass es im Universum ‘mit rechten Dingen zugeht’, dass weder Götter noch Geister noch Kobolde oder Dämonen in die Naturgesetze eingreifen”. Wie der letzgenannte Beitrag zeigt, geht es hier nicht allein um eine spezifische Diskussion eines besonderen politischen Milieus. Dennoch ist diese scheinbar paradoxe Situation möglicherweise auflösbar.

Bild von A Gude unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 2.0: Koran-Manuskript 12. Jahrhundert (Symbolbild).

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Religionsparodien – konstitutives Element einer entwicklungsoffenen Religionsfreiheit?

Der Titel meines Vortrages in Jena wurde mir vorgegeben: “Religionsparodien – wie damit umgehen?”. Man spricht auch von “Spaßreligionen”, angedacht ist eine vorgebliche religiöse Verehrung von fliegenden Spaghetti-Monstern oder rosaroten Einhörnern zum Zweck der Parodie von Religionen. Gerade eine Religionswissenschaft, welche essenzialistische Bestimmungen “der Religion” nach ihrem angedachten “Wesen” hinter sich gelassen hat und mit einem erweiterten Religionsbegriff arbeitet, steht vor dem Problem, formal diese Parodiereligionen wie eine neue religiöse Bewegung einstufen zu müssen. Allerdings zielt dann die Frage nach dem Umgang darauf ab, sie in irgendeiner Form auszuschließen. Ich will im Folgenden zeigen, wie folgenschwer problematisch das wäre. Es wird darauf hinauslaufen, dass Religionsparodien für Religionswissenschaftler*innen sogar von systematischem Interesse sein könnten.

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Neue Stiftungsprofessur in Leipzig: Religionskritik als Gesellschaftskritik?

An der Universität Leipzig wurde eine neue Stiftungsprofessur für Religionswissenschaft und Religionskritik eingerichtet. Ziel ist es die wissenschaftliche, nüchterne und positive Kritik von Religionen zu betreiben, ohne Religionsfeindschaft zu propagieren. Der suspendierte Priester und Autor Adolf Holl, der als „innerer Kritiker“ der katholischen Kirche wirkt, stiftete die Professur, was anfangs gar nicht so einfach war, wie unter anderem der Deutschlandfunk berichtete. Man siehe auch den Beitrag im Humanistischen Pressedienst (Nachtrag: und Jungingers Replik). Adrian Gillmann interviewte Horst Junginger für die Säkularen Sozialdemokrat_innen. REMID gibt das Interview mit freundlicher Genehmigung wider.

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Trendreport 2017: Migration, Rezession, “Regression” und Ressentiment

Es ist jetzt vier Jahre her, dass zuletzt ein sogenannter “Trendreport” auf dem REMID-Blog erschienen war (vgl. Trendreport 2013). Was ergibt ein Blick auf die “geistige Situation der Zeit” – Untertitel von “Die große Regression” (hrsg. von Heinrich Geiselberger, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2017) mit Bezug auf das Werk “Die geistige Situation der Zeit” des Philosophen und Psychiaters Karl Jaspers von 1932 sowie auf die (ökonomische) Rede von einer “Großen Rezession” seit 2008 (vgl. dazu insbesondere den Beitrag von César Rendueles, S. 233-252)? Kann sich ein “Trendreport” überhaupt noch mit einer lediglich nationalen Perspektive – also auf das Religions- und Weltanschauungsgeschehen Deutschlands – begnügen?

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Was glaubt, wer nicht glaubt? Vergleichende Studie untersucht konfessionsfreie Identitäten

Eine neue vergleichende Studie von Prof. Dr. Tatjana Schnell (Universität Innsbruck), Prof. Dr. Hans Alma (University of Humanistic Studies, Utrecht), Dr. Elpine de Boer (Universität Leiden) und Dr. Peter La Cour (University of Copenhagen; hier geht es direkt zum Online-Fragebogen; Sie können bis Ende Dezember 2016 teilnehmen) versucht mittels sehr elaborierter Frageskalen das Feld der sogenannten Konfessionslosen oder Konfessionsfreien (vgl. z.B. Wer sind die Konfessionsfreien?) in fünf europäischen Staaten zu erschließen. Dabei geht es sowohl um die als “Ismen” vertrauten philosophischen Selbstverortungen als etwa Atheist oder Agnostiker (vgl. die Interviews mit Dr. Heinz-Werner Kubitza, Religion und Öffentlichkeit III: Säkularer Humanismus und Religionskritik, und mit Arik Platzek, „Abbau der systematischen Benachteiligung für Menschen ohne Religion“, sowie zur religionsphilosophischen Debatte um die Existenz Gottes mit PD Dr. Stamatios Gerogiorgakis, (A)Theismus und Religionsphilosophie: Aktuelle Streiflichter zur Debatte um die Existenz Gottes) als auch um diejenigen, welche ihre eigene Position zwar als nicht-konfessionsgebundene Weltanschauung verstehen, aber nicht aus jeder Perspektive als religionsfrei gedeutet werden. REMID interviewte Tatjana Schnell zu diesem besonderen Forschungsprojekt.

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Das moderne Verhältnis von Coach und Weltanschauung und seine mögliche Bedeutung für die Zukunft neuer religiöser Bewegungen

(Bild von wikihow.com: How to Become a Certified Life Coach unter Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0).

Letztes Jahr ging es um die Frage, was denn eigentlich eine “Weltanschauung” sei. Eine solche sei – nach dem Handwörterbuch religionwissenschaftlicher Grundbegriffe – eine “auf die Totalität des Wirklichen in seiner Bezogenheit auf das letzte Erklärungsprinzip und auf den ‚anschauenden‘ Menschen selbst gerichtete Einstellung” (J. Edgar Bauer). Vielleicht aber ist so etwas – das zeigte schon die damalige Notwendigkeit von Setzungen, Ausschlüssen und Grenzfällen – möglicherweise ein Sonderfall menschlicher Assoziation. Damals ging es um praktische Fragen, Inhalte für unsere Religions- und Weltanschauungsstatistik zu bestimmen oder zu verwerfen. Als entscheidende Kriterien erschienen dabei entweder eine explizite Opposition zu allem Religionsähnlichen, ein affirmativer Bezug zu etwas, das “religiös”, “spirituell” oder “esoterisch” genannt werden kann, oder eine metaphysische Setzung (allerdings konnte das bereits die These sein, es existiere intelligentes außerirdisches Leben mitten unter uns). Verlässt man diese synchrone Gegenwartsanalyse und versucht, eine diachrone historische Perspektive einzubringen, klingen Konzepte wie “Weltanschauung”, aber auch “Neue Religiöse Bewegung” oder ehedem “Sekte” aber nach spezifischen historischen Erscheinungen, die sozusagen kommen und gehen. Insofern wäre die gerne von Religionswissenschaftler_innen vorgebrachte Korrektur der konservativ motivierten Deutung der modernen religiösen Vielfalt als Verfallserscheinung, nämlich dass das Entstehen neuer religiöser Bewegungen der “Normalfall” der Religionsgeschichte sei, auf eine andere Weise infragezustellen: Könnte eine solche Analyse zu dem Schluss gelangen, dass es sinnvoll sein könnte, von einem “Zeitalter” der neuen religiösen Bewegungen zu sprechen? Was hat es mit dem dahinter stehenden Anfangsverdacht auf sich, also dass die Wahrnehmung möglich wird, die Entstehung neuer religiöser Bewegungen könnte (wieder?) zur “Ausnahme” werden? Wie sieht das bei “Weltanschauungen” aus? Und was haben Coaching und Lebensberatung damit zu tun?

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