Anders berichten. Gegen Sterotype in Bezug auf Islam und arabische Welt

Es war im Jahr 1978, als Edward Said den Begriff “Orientalismus” prägte und damit den westlichen, “eurozentrischen” Blick auf die arabische Welt als einen „Stil der Herrschaft, Umstrukturierung und des Autoritätsbesitzes über den Orient“ (1981, S. 10) analysierte. Auch wenn es Said um die akademische Orientalistik der Kolonialmächte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ging, ist sein Vorwurf weiterhin aktuell. Während zwar von unten inzwischen der “Tahrir-Platz” zum geflügelten Wort mit universaler Einsetzbarkeit aufgewertet wird, zeichnen die konventionellen Medien in Europa weiterhin gewohnte Bilder eines “Orients”. Nicht nur zum arabischen Frühling und zum interkulturellen Dialog interviewte REMID Wenke Krestin von eurient e.V.

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Im Reigen der Propheten: Apokalypse in aller Munde

Es grenzt nahezu schon an ein Wunder, dass man trotz der Allgegenwart von Untergangsprosa überhaupt noch erfährt, dass Harold Camping, seines Zeichens Prediger eines Family Radio, zum wiederholten Mal erfolglos den Weltuntergang in diesem Jahr, diesmal für den 21. Oktober, angekündigt hatte. Bzw. nach aktueller Lehre Campings stand der erste Termin für eine “Entrückung” der Wenigen, während am zweiten die übrigen Menschen untergehen sollten. Angesichts der schon seit einigen Jahrzehnten populären Prophezeiung zu 2012 (wir nahmen diesbezüglich an einem Wettbewerb der Gesellschaft für Anomalistik [GfA] um einen wissenschaftlichen Artikel über dieses Thema teil) fragt man sich nach einem Blick in die Medien: Das soll noch ein Jahr lang so weiter gehen?

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Fluchtgrund: (Un)Glaube. Ein Interview zum Tag des Flüchtlings

2010 ‚feierte’ die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), das internationale Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge den 60. Geburtstag. Die vom Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) veröffentlichten Weltflüchtlingszahlen 2010 belegen, dass dieses Abkommen auch heute noch notwendig ist, den internationalen Flüchtlingsschutz sicherzustellen. Mit insgesamt 43,7 Millionen Flüchtlingen – das entspricht der Bevölkerungszahl von Skandinavien und Sri Lanka zusammengenommen – stellte 2010 einen neuen Rekord auf. Seit 15 Jahren waren nie mehr Menschen auf der Flucht. Mehr als die Hälfte von ihnen – 27,5 Millionen Menschen – waren innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht. Von denen, die ihr Land verlassen konnten / mussten fanden 4/5 Zuflucht in den unmittelbaren Nachbarländern. Anlässlich diese traurigen Rekords sprach REMID mit Rita Schillings, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates Leverkusen, über ihre Erfahrungen mit ‚religiösen’ Fluchtgründen in ihrer Beratungstätigkeit.

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Von Chanology bis Pentabarf – wie halten Hacker es mit der Religion?

Die Welt der sogenannten Nerds war von Anfang an gekennzeichnet durch eine gewisse Affinität, sozusagen mittels einer Art Cyber-Platonismus die digitalen Welten zu bevölkern: Lässt man sich in einem Linux-System z.B. die aktuell laufenden Systemprozesse anzeigen, wimmelt es da von “Dämonen” (disk and execution monitors), nicht nur “Trojaner” verweisen auf Mythologien, die Programmiersprache “Bon” wurde benannt nach dem “Gemurmel magischer Formeln” der tibetischen Bön-Religion, und die Rede vom “Avatar” als Bezeichnung für eine eigene Repräsentation an einem bestimmten digitalen Ort macht den Umgang mit dem Computer zu einem transzendenten Akt. Aber das ist nicht alles. Schon die ersten “Hacker”-Generationen entwickelten eigene Sinnkonzepte.

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Religion und Arbeit: ein komplexes Verhältnis zwischen Vision und Ethik

Eine interessante Randbemerkung äußert der Soziologe Jeremy Gilbert im Interview mit der taz. Es geht um die Armut in Großbritannien, im speziellen um einen Vergleich der aktuellen Ausschreitungen mit den Brixton Riots 1981. Damals existierten antirassistische Organisationen, “die die Belange der Randalierer politisch artikulieren konnten”. Heute seien die Jugendlichen jedoch sowohl von den Traditionen der Arbeiterbewegung als auch von den offiziellen politischen Institutionen ausgeschlossen. Nur religiöse Gruppen interessierten sich noch für sie.
Solchen Tendenzen gegenüber steht der soziologische Diskurs, auf Max Webers “Die protestantische Arbeitsethik und der Geist des Kapitalismus” antworten bereits mit einiger Tradition Autoren verschiedenster Coleur – etwa Robert Hank z.B. mit “Arbeit. Die Religion des 20. Jahrhunderts. Auf dem Weg in die Gesellschaft der Selbständigen” (1995).

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Boko Haram – neue Semantiken im Spiegel ihrer Mediendeutungen

Die Worte “Boko Haram” tauchen seit einiger Zeit in den Medien auf, am 27. Juni ging es um “Anschläge auf Bierlokale in Nigeria”, am 12. Juli darum, dass eine Universität “aus Angst vor den Islamisten” schließe. Beide Meldungen stammen von der Agentur DPA, die “Anschläge” zusätzlich von Reuters, bei Googe-News druckten diese 167 Medien ab, die andere Meldung nur 16. Bei der taz gab es schließlich am 20. Juli einen zusammenfassenden Artikel, der mit einer möglichen Übersetzung der Worte betitelt war: “Westliche Bildung ist Sünde”. Wikipedia kennt noch weitere Übersetzungsvorschläge für den ehemaligen Titel der “Organisation der Anhänger der Lehren des Propheten Mohammed und die Meister des Islams und der Heiligen Kriege”: am 27. Juli 2009 D. Johnson ebenfalls in der taz: “Bücher sind Sünde”, in der BBC einen Tag zuvor: “In the local Hausa language Boko Haram means ‘Western education prohibited'”, am 13. Juli 2010 auf der Webpräsenz der Tagesschau: “Die moderne Erziehung ist eine Sünde”. Doch worum geht es denn nun?

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Das kategorische Dilemma des Konservativen

In Zedlers Universal-Lexicon findet man 1740 nur den juristischen Fachterminus des Erbrechtes (Band 26, Sp. 133f.) pactum conservativum (Anerkennung des Gewohnheitsrecht gegenüber dem bürgerlichen Recht) und satura conservativa als medizinischer Ausdruck für eine zusammenhaltende Naht (Band 23, Sp. 865f.). Der Begriff selbst ist noch nicht in seinem heutigen Sinn vertraut, allerdings dennoch gibt es im zeitlichen Umfeld neben z.B. chemischen Begriffen etwa in der “Abhandlung von der höchst nöthigen Conservation des Holzes” (Johann Kuhn, 1765) die “Conservation” des Lehens, des Besitzes, der Untertanen, der Sitten. Über die seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehenden Parlamente entwickelte sich aus der Idee einer Herrscher- bzw. Staatspflicht eine politische Kategorie des Konservativen. Doch diese ist alles andere als unproblematisch.

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Kein Pfingstfest der Moral: über den Erfolg segregativer Thesen

Am 3. Juni hatte die Giordano-Bruno-Stiftung Peter Singer und Paola Cavalieri als “zwei Initiatoren des Great Ape Projects für Grundrechte von Menschenaffen” trotz des Protests von Verbänden zur Behindertenhilfe ihren Ethikpreis verliehen. Gleichzeitig bringt der “Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken” einen Essay des Schriftstellers und Juristen Bernhard Schlink (“Der Vorleser”), der seinen StudentInnen (und dem diese prägenden gesellschaftlichen Kontext) eine “Kultur des Denunziatorischen” vorwirft, welche an den Beispielen von moralischen (Negativ-)Urteilen der Studierenden (nach “heutigen” ethischen Vorstellungen) über juristische Autoren des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit des Nationalsozialismus festgemacht wird. Der Text im nach Selbstverständnis “antiutopischen” und “liberalen” Blatt findet im Spiegel durch Georg Dietz seine Kritik als Ausdruck einer “Kultur des Opportunismus”, “[a]ls ob Mord nicht immer Mord ist, Lüge immer Lüge, Verrat immer Verrat”. Diese Debatten und Ereignisse sind für Religionswissenschaftler nicht nur aufgrund dessen interessant, da Schlink historische Fälle von Antisemitismus und Rassismus relativiert und da Singer die (pränatalen und frühkindlichen) Rechte Behinderter gegen die Rechte von Menschenaffen ausspielt.

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Live von einer Feldforschung in Uganda

Lydia Koblofsky und Johannes Maaser sind KulturwissenschaftlerInnen und AbsolventInnen des Marburger Masterstudiengangs Friedens- und Konfliktforschung. Von Dezember 2010 bis Juni 2011 arbeiteten sie als Volunteers für das Peace and Conflict Studies Programme der Makerere University in Ugandas Hauptstadt Kampala. Kurz vor Ende ihres Aufenthalts in Afrika stellen sich die beiden für ein Interview zur Verfügung.

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