“38 Thesen gegen Hysterie”: Religionswissenschaftler*innen wollen Islamdebatte versachlichen

In unserem heutigen Doppelinterview geht es um das Buch “Der Islam: Feind oder Freund? 38 Thesen gegen eine Hysterie”, direkt als praktisches Taschenbuch im Februar von Monika und Udo Tworuschka (eigene Webseite) veröffentlicht. Ein loses Vorbild mögen die “40 Thesen zur Reform des Islams” (2017) des islamischen Theologen Abdel-Hakim Ourghi gewesen sein. Während dieser aber tatsächlich mit einer inner-islamischen Perspektive “den Luther macht” und Reformen der Religion vorschlägt (“40. Nur ein liberaler Islam ist zukunftsfähig”), bleiben Monika und Udo Tworuschka auf der religionswissenschaftlichen Sachebene. Das Buch richtet sich an alle Teilnehmer*innen des gesellschaftlichen Diskurses und verknüpft Analysen westlicher, orientalistischer Islambilder mit religionswissenschaftlicher Expertise über den zeitgenössischen wie den historischen Islam.

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Wenn die “Theologie” der Religionskritiker*innen auf “konfessionslose” Islambilder trifft

Im “Freitag” finden sich aktuell zwei Beiträge zum Berliner Neutralitätsgesetz. Auf die Startseite als Empfehlung aus der Community geheftet wurde “Die Krux mit der Religion” von David Danys (24. Mai). Die Parteilinie der Linken in Berlin wolle für “Säkulare und gemäßigte Muslime und Muslima wie Atheisten und Atheistinnen mit islamischem Hintergrund, Vorkämpfer und Vorkämpferinnen einer emanzipierten Kultur in muslimisch geprägten Sphären” nicht das Wort ergreifen, sondern paktiere mit ihren islamistischen Unterdrückern. Daneben bzw. weiter oben steht der Beitrag von Cornelia Möhring und Christine Buchholz, “Gegen jeden Zwang – Das Berliner Neutralitätsgesetz beruht auf Vorurteilen, es macht Muslimas das Leben schwer”, ein redaktioneller Beitrag vom 28. Mai. Der Zwang, ein Kopftuch zu tragen, sei ebenso abzulehnen wie der Zwang, es abzusetzen. Dem ersten Beitrag nicht gänzlich unähnlich in der Argumentationsweise erschien ein Beitrag von Michael Schmidt-Salomon im Humanistischen Pressedienst, “Marx macht mobil. Der Marx-Hype in Trier und die linke Aversion gegen Religionskritik”, bereits am 8. Mai. Der Autor ist Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, die “keine ‘atheistische’, sondern – wie die meisten führenden Wissenschaftler heute – eine ‘naturalistische’ Position” vertrete, “[d]as heißt: Wir gehen davon aus, dass es im Universum ‘mit rechten Dingen zugeht’, dass weder Götter noch Geister noch Kobolde oder Dämonen in die Naturgesetze eingreifen”. Wie der letzgenannte Beitrag zeigt, geht es hier nicht allein um eine spezifische Diskussion eines besonderen politischen Milieus. Dennoch ist diese scheinbar paradoxe Situation möglicherweise auflösbar.

Bild von A Gude unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 2.0: Koran-Manuskript 12. Jahrhundert (Symbolbild).

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Interview mit Buchautor Christian Röther: Islamfeindlichkeit von AfD und Pegida

Christian Röther (Religionswissenschaft Göttingen) promovierte über die islamfeindliche Szene in Deutschland. Dafür recherchierte er mehrere Jahre über die Szene und führte ausführliche Interviews mit antiislamischen Aktivistinnen und Aktivisten. Seit 2009 arbeitet er als Hörfunkjournalist, u. a. für den Deutschlandfunk. 2016 wurde Röther mit dem Niedersächsischen Medienpreis ausgezeichnet. Zu seinem neuen Buch “Wenn die Wahrheit Kopf steht. Die Islamfeindlichkeit von AfD, Pegida & Co.” (2017) hat REMID ihn interviewt.

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Überlebende des IS-Terrors: “Niemand soll sagen können, er habe von diesen Verbrechen nichts gewusst”

Vor bald einem Jahr berichteten wir von dem Projekt “Sonderkontingent” des Landes Baden-Württembergs, welches unter der Leitung von Dr. Michael Blume durchgeführt wurde (Als Religionswissenschaftler ein Projekt in Kurdistan-Irak leiten?, man vergleiche auch seinen Eröffnungsbeitrag in der öffentlichen REMID-Gesprächsrunde “Religion in Öffentlichkeit und Medien”, vom 19. November 2016, im Video ab Minute 11:47, zum Thema “Verschwörungsmythen” und dabei zu dem Massenmord an den Yeziden im Irak kommt es ab Minute 16:00). Das Projekt ist jetzt abgeschlossen. Die zur UN-Sonderbotschafterin gegen Menschenhandel ernannte Nadia Murad sprach als erste Yezidin vor einem deutschen Parlament kürzlich im Stuttgarter Landtag (SWR: Aus der Hölle nach Baden-Württemberg. Nadia Murad sagt Danke, Stuttgarter Zeitung: UN-Sonderbotschafterin Nadia Murad spricht im Stuttgarter Landtag, alles 1. Dez. 2016).

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Islamkritik und Rassismus. Ein Briefwechsel über einen Essay von Ahmad Mansour


In der linksliberalen Taz veröffentlichte Ahmad Mansour am 9. Juli 2016 einen Essay “Linke und Muslime – Wir sind nicht eure Kuscheltiere”, mit dem Untertitel: “Das linksliberale Spektrum tut sich schwer mit kritischen Muslimen. Es erklärt sich zum Beschützer konservativer Muslime und macht sie so zu Opfern”. Folgende Diskussion von Kris Wagenseil (REMID) und Verena Maske, Religionswissenschaftlerin mit Schwerpunkt islamische Gegenwartskultur (Universität Marburg), ging von diesem Essay aus.

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Darf man den Islam kritisieren?

Eher bürgerlich und schlicht wirken die beiden. Kathrin Oertel und René Jahn geben dem Mitteldeutschen Rundfunk als Pediga-Anhänger (“Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes”) ein Interview. Ihre Antworten vermischen Asylfragen mit Ängsten vor “dem” Islam (etwa verweist Frau Oertel auf Südfrankreich: dort gebe es inzwischen mehr Moscheen als Kirchen). Während hier bei den erschreckend zahlreich gewordenen Anti-Islam-Demonstrationen diffuse Ängste dominieren, bemühen sich andere um eine “sachgerechte Islamdebatte” – so ein Bericht über eine Konferenz “Menschenrechte statt Scharia” in der aktuellen MIZ (Nr. 3/14, S. 19f.), herausgegeben vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten. Die Medien würden Islamkritik “einseitig als thematisches Stammgebiet rechtspopulistischer Kräfte darstellen”. Doch auch der auf der Konferenz beschlossene “Wiener Appell” (man googele selbst) “[g]egen die Ausbreitung islamischer Herrschaftskultur in Europa” hat mit der “Bürgerbewegung Pax Europa” mindestens einen rechtspopulistischen Unterzeichner (Version November 2014), der über eine “schleichende Islamisierung” Europas aufklären will und als “islamfeindlich” gilt. [Nachtrag 10. Mai 2015: Der MIZ-Bericht aus der Rubrik “Zündfunke” erwähnt zwar diesen Appell, allerdings nicht dessen Unterzeichner und Überschrift]. Wann handelt es sich um Islamhass, wann um eine am Islam spezifizierte Religionskritik, die – würde man sie verbieten – tatsächlich als ein “Ende der Aufklärung” verstanden werden müsste?

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