Peter Pan und die zwölf Stämme: Das Spiel als Paradigma

Es ist eine grundsätzliche Frage, wie sie auf strukturell ähnliche Weise an viele Gegenstände wissenschaftlicher Betrachtung herangetragen werden kann: Wurde die Kindheit als eine spezifische Lebensphase erst erfunden – im Europa des 18. Jahrhunderts von frühen Pädagogen wie Johann Bernhard Basedow und Joachim Heinrich Campe, die auch erste Kinderbücher schrieben? Und mit ihr das kindermäßige Spielen? Wie sehr ist das ein eurozentrischer Diskurs, wo auf der einen Seite diejenigen fiktiven Figuren stehen, welche eine Art ewige Kindheit verkörpern – wie Peter Pan und Pippi Langstrumpf – und auf der anderen Seite aktuell vielleicht Menschen von Sondergemeinschaften, die wie bei den Zwölf Stämmen glauben, “in der Welt des Spielens und der Phantasie wartet der Teufel, und den muss man den Kindern austreiben” (Wolfram Kuhnigk nach Artikel in der Süddeutschen vom 9. September)?

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Religion und Missbrauch: Die neue Sorge um das Kind

Während gerade in Berlin an einer Übergangsregelung für die Beschneidung des muslimischen und jüdischen Nachwuchses gearbeitet wird, ist das öffentliche Interesse an der Zirkumzision wieder zurückgegangen. Ein Kölner Urteil hatte entschieden, dass die Beschneidung Heranwachsender aus nicht-medizinischen Gründen gegen Menschenrechte verstoße – nämlich gegen die Unversehrtheit des Körpers in Kombination mit der Entscheidungsunmündigkeit des Kindes. Die Debatte findet seit Juni 2012 nicht mehr allein in Fachkreisen (vgl. z.B. Artikel im Ärzteblatt von 2008) statt. Nun soll es weder darum gehen, juristisch zu spekulieren, wie westliche Rechtskonzepte den sich andeutenden Konflikt mit der Religionsfreiheit lösen werden oder sollten, noch darum, hinter den Äußerungen zum Wohl des Kindes einen eigentlich rassistischen bzw. antisemitischen Unterton zu vermuten. Wichtiger erscheint es, darauf aufmerksam zu machen, dass diese besondere Debatte als Teil eines aktuellen, umfassenden Diskurses um das Kind und seine zu schützende Unversehrtheit weitaus früher begann – noch vor den Skandalen um sexuelle Missbräuche in der katholischen Kirche seit Februar 2010 (und spätestens seit März auch bezogen auf die Reformpädagogik, z.B. “Erwachen in Wolkenkuckucksheim” mit Untertiteln wie “Warnung vor den Gurus” in der Süddeutschen). Nämlich etwa mit dem Vorwurf von erklärten Atheisten wie Richard Dawkins und Christopher Hitchens, Religion sei grundsätzlich “mentaler” Missbrauch von Kindern.

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