Esoterik: Ein ungewolltes Kind von Reformation, Aufklärung und Kolonialismus?

“Esoterisch” nannte man diejenigen Schriften des Aristoteles, welche nur seinem engeren Schülerkreis vorbehalten waren. Bis auf wenige Ausnahmen haben nur sie die Zeiten überdauert. Heute meint “Esoterik” etwas völlig anderes (vgl. unsere Kurzinformation). Umstritten ist das Verhältnis zum Begriff “Religion”. 10,6% des Sachbuchmarktes macht die Kategorie “Psychologie, Esoterik, Spiritualität, Anthroposophie” aus (1. Quartal 2011). Dabei bestehen viele Vorurteile sowohl über Nutzer wie auch Anbieter esoterischer Angebote.

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Märchen und Magie zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Eine Kritik

Anlässlich des Gebrüder-Grimm-Jahres veranstaltete REMID am 30. April einen Vortragsabend. Die Marburger Brüder-Grimm-Stube war gut besucht. Im Gegensatz zu vielen Darstellungen des Märchens als universale Erzählform mit vornehmlich ursprünglich oraler Verbreitung wurde seine besondere Rolle als Produkt der europäischen Geschichte betrachtet. Das Mittelalter kennt im eigentlichen Sinn keine Märchen (auch wenn heute manches als solches verkauft werden mag). Das Märchen besteht streng genommen nur als “Kunstmärchen” und ist zu unterscheiden von Textformen wie dem Artusroman, der Heiligenlegende, dem Heldenepos, dem Schwank oder der Aesop nachempfundenen Tierfabel. Das Pentameron (1634-36) zeigt sogar, dass Märchen als Textgattung in Abhängigkeit stehen können zur im Humanismus entwickelten Form der Novelle: Titel und Struktur des Werkes sind an Giovanni Boccaccios Novellensammlung Decamerone (1349-1353) orientiert. Letztlich liegt einfach ein schwerwiegendes Missverständnis vor: Das Märchenhafte des Mittelalters ist ein Resultat der inneren Kritik der Aufklärung seit der Reformation in Europa. Erst durch diese Filter und unter Reflexion der Erfahrungen im Kolonialismus, in der Romantik, im Nationalismus usf. wurden Märchen heute das, was sie unterstellen immer schon gewesen zu sein: zum Ausdruck einer universellen Stimme des Mythos (wie des kollektiven Unbewussten).

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Wicca: eine performative “Naturreligion” und die (re)konstruierte Tradition

Der Begriff “Naturreligion” war ursprünglich ein weiterer verlegener Versuch, diese vielen anderen lokalen Traditionen zusammenzufassen, die keiner mit einem Stifter in Beziehung setzbaren “Weltreligion” (vgl. zur Geschichte dieses Begriffes im Blog: Wer zählt was?) zurechenbar sind. Es sollte vermutlich besser klingen als “Stammesreligionen” oder “Heidentum” oder “Primitive Religionen”, “worshippers of fetish cults” etc. Zugleich erinnert es an die religio naturalis, die natürliche Erkenntnis (des christlichen) Gottes, welche manche den “Heiden” bereits im 18. Jahrhundert zutrauten. Gelegentlich wird dieser Ausdruck positiv innerhalb derjenigen Szene verwendet, welche sich selbst mit vorchristlichen bzw. paganen Traditionen auseinandersetzt, so auch im modernen Hexentum oder Wicca. Wir interviewten zu dieser Neuen Religion die Europäische Ethnologin und Kulturwissenschaftlerin Dr. Marion Näser-Lather.

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