Das Thema Klimawandel als Indikator für Antisemitismus

Unser Mitglied Michael Blume, Antisemitismus-Beauftragter von Baden-Württemberg, wurde neulich etwas verkürzt zitiert, in der Jüdischen Allgemeinen, “Windräder gegen Judenhass” (1. August 2019). Ihm ging es eigentlich um eine interessante, vielleicht auch etwas verkürzte Adorno-Rezeption, insofern – das zitierte auch der Rezensent Michael Wuliger – “[d]ie Verfeuerung fossiler Rohstoffe nicht nur Umwelt und Klima [vergifte], sondern auch Gesellschaften, Staaten und religiöse Lehren ins Autoritäre [verforme]”. Blume geht es dabei im Besonderen um die “Rentierstaatstheorie” und eben darum, dass nach Adorno et. al autoritäre Persönlichkeiten besonders für u.a. Antisemitismus empfänglich seien. Aber es gibt noch einen anderen Grund, sich als Religionswissenschaftler*in für den Klimawandel zu interessieren. So titelte T-Online auf seinem Nachrichtenportal “Neue Studie: Juli-Hitzewelle wäre ohne Klimawandel unwahrscheinlich” (2. August 2019). Von 173 Reaktionen bei dem zugehörigen Facebook-Post der dortigen Seite von T-Online sind aktuell (03.08., 11.22) ganze 140 Lach-Smileys. Das sind immerhin 80%, die bei diesem Thema sozusagen “Lügenpresse” rufen und nach den Kommentaren einem Narrativ folgen, das eine Verschwörung “windiger Ganoven” (Zitat von dort) gegen den “kleinen Mann” ausmacht.

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Die Geburt der Moderne in der Kunst der Fabel am Beispiel eines prototypisch antisemitischen Mem von 2018

Schon mindestens zweimal versuchten Artikel sich dem Thema “Märchen” kritisch anzunähern. In “Märchen und Magie zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Eine Kritik” (2012) ging es um ein Mittelalterbild, welches im Kontext der Romantik “Märchen” und “Magie” zu einem Gegenstand des Othering macht, und zuvor ähnlich im Medium des kolonialistischen Ost- und Westindien, später im Interesse an einer ursprünglichen “Authentizität” als “Naturmärchen” oder “Volkssage”. In Gespenster – festliche Dekonstruktion einer Universalkategorie (2011) wurde die These aufgestellt, dass “Gespenster” gerade nicht universell, sondern – zumindest in einigen Anteilen – ein Produkt der Frühen Neuzeit seien. Heute geht es um ein seit 2018 international beliebtes Internetmem, das bereits in seiner Geschichte darum ringt, sich mit Anciennität und Universalität auszustatten. Stattdessen soll gezeigt werden, dass gerade das nicht zutrifft und es ein spezifisches Produkt des frühen 18. Jahrhunderts darstellt, und spezifisch “modern” ist. Und auch das wird zu zeigen sein: in dieser speziellen Version prototypisch antisemitisch.

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Antisemitismus: “Wir erleben einen digitalen Neuaufbruch des Verschwörungsglaubens”

Superhelden, Superschurken, Verschwörung – viele populäre Mythen sind von antisemitischen Denkmustern durchzogen. Es geht um “Verschwörungstheorien”. Bzw. das, worum es geht, das sind gerade keine Theorien, sondern ein bestimmter Typus von Mythen, erklärt Michael Blume, Religionswissenschaftler und Antisemitismus-Beauftragter Baden-Württembergs. REMID interviewt ihn zu seinem neuen Buch “Warum der Antisemitismus uns alle bedroht” (Patmos 2019).

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Religionsparodien – konstitutives Element einer entwicklungsoffenen Religionsfreiheit?

Der Titel meines Vortrages in Jena wurde mir vorgegeben: “Religionsparodien – wie damit umgehen?”. Man spricht auch von “Spaßreligionen”, angedacht ist eine vorgebliche religiöse Verehrung von fliegenden Spaghetti-Monstern oder rosaroten Einhörnern zum Zweck der Parodie von Religionen. Gerade eine Religionswissenschaft, welche essenzialistische Bestimmungen “der Religion” nach ihrem angedachten “Wesen” hinter sich gelassen hat und mit einem erweiterten Religionsbegriff arbeitet, steht vor dem Problem, formal diese Parodiereligionen wie eine neue religiöse Bewegung einstufen zu müssen. Allerdings zielt dann die Frage nach dem Umgang darauf ab, sie in irgendeiner Form auszuschließen. Ich will im Folgenden zeigen, wie folgenschwer problematisch das wäre. Es wird darauf hinauslaufen, dass Religionsparodien für Religionswissenschaftler*innen sogar von systematischem Interesse sein könnten.

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Interview: Religionswissenschaftler Michael Blume wird Antisemitismus-Beauftragter Baden-Württembergs


Michael Blume ist nicht nur mit diesem vierten Interview Rekordhalter im REMID-Blog – es ging um sehr verschiedene Themen wie Evolutionary Religious Studies, Yeziden in Kurdistan-Irak und Krise des Islam – er ist seit langer Zeit REMID-Mitglied und Vorreiter im Bloggen über “Religionswissenschaft aus Freude”, seit jetzt genau zehn Jahren (vgl. Von Glück und Motivation des Wissenschaftsbloggens – Danke Euch!, 21. April). Jetzt wurde Michael zum Antisemitismus-Beauftragten des Bundeslandes Baden-Württemberg ernannt.

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Satanismus in der Religionswissenschaft. Interview mit Buchautor Joachim Schmidt

Als ich seiner Zeit 2005 Praktikum bei REMID machte, wurden mir auch Publikationen aus dem REMID-Umfeld geschenkt, darunter das Buch “Satanismus – Mythos und Wirklichkeit” von Gründungsmitglied Joachim Schmidt, erschienen im vereinsnahen diagonal-Verlag zuerst 1992, damals handelte es sich um die 2. durchgesehene und aktualisierte Auflage von 2003. Jetzt ist das Buch neu im szenenahen second sight books Verlag herausgebracht worden. Anlass genug, den Autoren zu interviewen – zum real-existierenden Satanismus, zu Ängsten vor angeblichen Satanismen und zur Rolle des Themas in der Gesellschaft in den Jahren nach der Gründung REMIDs 1989.

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Religionswissenschaft macht Schule? Impulse für das Unterrichtsfach Religion

Gastbeitrag von Dr. Irene Dietzel, gesammelt auf der Jahrestagung der DVRW in Marburg, 2017. Irene Dietzel ist promovierte Religionswissenschaftlerin mit besonderem Interesse für alles Anthropologische. Nach einem Forschungsprojekt in den Mittelmeerstudien hat sie den Quereinsteig in die Schule gewagt und unterrichtet an einer Berliner Oberschule Religion und Ethik. Als Lehrbeauftragte an der Universität Potsdam gibt sie regelmäßig Einführungen in die Religionswissenschaft für angehende L-E-R-Lehrer_innen.

Letzten September ließ ich meinen Unterricht an einer Berliner Oberschule vertreten, um an der Tagung der Deutschen Vereinigung für Religionswissenschaft (DVRW) in Marburg teilzunehmen. Unter dem Motto der Konferenz, “Medien, Materialität, Methoden” waren innovative und altbewährte Ansätze der Religionsforschung versammelt. Ein roter Faden, der sich durch viele Panels und Pausengespräche zog, war auch hier die aktuelle Debatte um Relevanz und Vermittlung von religionswissenschaftlichem Wissen in außerakademischen Bereichen. In welchen Tätigkeitsbereichen des öffentlichen Lebens ist religionswissenschaftliche Expertise gefragt? In welchen Foren sollten Religionswissenschaftler_innen Diskurse über Religion aktiv(er) mitgestalten? Der Arbeitsbereich Schule ist sicherlich ein solches Forum. Auch wenn es die Fächerlandschaft (noch) nicht eindeutig widerspiegelt, ist religionskundliches Wissen auch außerhalb des konfessionellen Religionsunterrichtes immer stärker gefragt – so zumindest erfahre ich es in meinem eigenen Arbeitsalltag. Nach meiner eigenen Promotion in den Religionswissenschaften hatte ich, eher zufällig, den Quereinstieg in den Lehrerberuf gewählt, und unterrichte nun seit einigen Jahren die Fächer evangelische Religion und Ethik. Seither frage ich mich, wie diese Fächer sich verändern würden, wie sich die Institution Schule verändern würde, wenn mehr Kolleg_innen aus der Religionswissenschaft den Weg in die Sekundarbildung fänden.

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„Warum Definitionen wichtig sind“ – Paganismus, populäre Religion, Ahnenkult und rechtes Denken


Die von der Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holstein (AWO) sowie dem Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus mit seinen mobilen Teams organisierte Tagung “Odin mit uns! – Wikingerkult und Rechtsextremismus“ am 09. und 10. Oktober in der Akademie Sankelmark reagierte u.a. auf Darstellungen von Hakenkreuzen in der Reenactment-Szene, z.B. bei den Wikingertagen 2016 in Schleswig. Das Thema wurde insgesamt sehr breit, interdisziplinär und renommiert und daher auf verschiedenen für Religionswissenschaft und -soziologie relevanten Ebenen diskutiert. Christiane Königstedt (Dr. phil.) war für REMID vor Ort; ihr Tagungsbericht reflektiert deren Relevanz für die Religionsforschung. Eingebunden waren Institutionen wie die Bundeszentrale für politische Bildung, das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein oder das Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie und das Innenministerium Schleswig-Holstein. Auf diese Weise konnten Referenten aus verschiedensten Arbeits- und Forschungsbereichen und ebenso ein vielfältiges Plenum an TagungsbesucherInnen angezogen werden. Allerdings waren nur wenige Personen aus der Reenactment-Szene, und meines Wissens noch weniger Pagane anwesend, was wohl unter anderem am Titel der Tagung gelegen hat. Insider kritisierten diesen als „vorab in die rechte Ecke stellend“ (wie im unten verlinkten Beitrag von Beowulf-Schleswig).

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Esoterik und alternative Spiritualität von A bis Z

Auf einer vergangenen Tagung der Religionswissenschaft wurde die Zusammenstellung “Religion und Vorurteil von A-Z” besonders gelobt. Daher soll folgende neue Zusammenstellung zu “Esoterik und alternative Spiritualität von A bis Z” eine Art erste Vertiefung bieten. Dabei wird versucht, auf diverses bereits vorhandenes Material einzugehen, so dass diese Übersicht auch einen geeigneten Einstieg im Sinne einer Themenschwerpunktseite “Esoterik und alternative Spiritualität” bietet (neben den bisherigen Schwerpunkten “Religionsfreiheit” und “Islam”). Die einzelnen Stichworte wurden dabei so ausgewählt, dass sowohl Esoteriker_innen, Alternativ-Spirituelle, Interessierte mit beliebigem weltanschaulichen oder religiösen Hintergrund, “Skeptiker_innen” als auch Religionswissenschaftler_innen, Mediziner_innen usf. jeweils Aspekte hinzulernen können.

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