Trendreport: Pluralisierung und Newcomer bei den Religionen und Weltanschauungen in Deutschland

Die Statistik von REMID liefert seit dem Ende der 1990er Jahre detaillierte Angaben zu Religionen in Deutschland. Zunächst ging es darum, bisherige Statistiken dahingehend zu korrigieren, dass längst ein Abbild der Religionen aller Welt im Kleinen auch den gegenwärtigen Pluralismus in Deutschland prägt. Nicht nur der Islam, auch Buddhismus und Hinduismus gehören zu Deutschland. Ebenso ging es darum, Neue Religionen als solche ernstzunehmen, aber auch gesellschaftlichen Tendenzen entgegenzuwirken, welche mit viel zu hohen Schätzungen der Mitglieder sogenannter “Sekten und Psychogruppen” Panikmache betrieben (in den 1990ern wurde etwa von manchen Diskursteilnehmern suggeriert, es gäbe 300.000 Scientologen im Lande). Erst 2012 wurde allerdings der Bereich der Weltanschauungen hinzugenommen, auch als Reaktion auf die Gründung des Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO). Allerdings wurden auch andere Bereiche (z.B. Esoterik) erweitert. Welche Trends oder Tendenzen lassen sich herausarbeiten?
Grafik: Pfeil nach rechts Zum Trendreport

REMID im Religionsmonitor 2013

Die Autoren Detlef Pollack und Olaf Müller schreiben unter Verwendung der REMID-Zahlen des Bezugsjahres 2010: „Das Ausmaß, in welchem die religiöse Pluralität in den letzten Jahrzehnten in Deutschland zugenommen hat, ist beeindruckend […]. 1950 – ein Jahr nach der Gründung der beiden deutschen Teilstaaten – gehörten in Gesamtdeutschland noch 95,6% der Bevölkerung der evangelischen oder der katholischen Kirche an. Nur 4,4% waren entweder konfessionslos oder Mitglieder anderer, teils freikirchlicher oder nicht-christlicher Religionsgemeinschaften. Auch die Bevölkerung der DDR bekannte sich damals nahezu geschlossen zu einer der beiden christlichen Kirchen. Über 80% waren in dem religionsfeindlichen Staat zum Zeitpunkt seiner Gründung evangelisch, mehr als 10% katholisch. Heute – 60 Jahre später – sind im wiedervereinigten Deutschland noch etwa drei Fünftel konfessionell gebunden […]. Aus der verschwindenden Minderheit derjenigen, die vor 60 Jahren weder der katholischen noch der evangelischen Landeskirchen angehörten, aber dennoch religiös gebunden waren, ist ein beachtlicher Anteil von etwa 10% [Grafik: 10,1%] geworden.“ (S. 33).
Weitere Ergebnisse betreffen die religiöse Praxis, welche gegenüber 2008 nahezu unverändert gering ist (S. 11: „Besuch Gottesdienst/Tempel/Freitagsgebet/spirituelle Rituale […]“ 2008: West 23%, Ost 20%; 2013: West 22%, Ost 12%; „Beten“ mind. täglich 2008: West 29%, Ost 11%; 2013: West 24%, Ost: 12%). 13% im Westen (2008: 12%) und 6% im Osten (2008: 4%) schätzen sich als „ziemlich“ oder „sehr“ spirituell ein, 59% (2008: 62%) im Westen und 77% (2008: 81%) im Osten halten sich für „wenig“ bzw. „gar nicht“ spirituell (S. 12).
2013 (S. 36f.) stimmten im Westen 61% (im Osten 57%) der Aussage zu, religiöse Vielfalt sei eine Bereicherung, 65% im Westen (im Osten 59%) der Aussage, die zunehmende Vielfalt sei eine Ursache für Konflikte. Dass Religionen grundsätzlich etwas Schädliches seien, denken im Westen 15% (im Osten 20%). Als Bereicherung empfunden werden im Westen Buddhismus mit 62% (Ost: 48%), Hinduismus mit 49% (Ost: 42%), Christentum mit 76% (Ost: 64%), Judentum mit 53% (Ost: 52%), Islam mit 31% (Ost: 21%) und Atheismus mit 43% (Ost: 49%). Als Bedrohung empfunden werden im Westen Buddhismus mit 10% (Ost: 11%), Hinduismus mit 11% (Ost: 12%), Christentum mit 9% (Ost: 15%), Judentum mit 19% (Ost: 19%), Islam mit 49% (Ost: 57%) und Atheismus mit 36% (Ost: 16%).
Grafik: Pfeil nach rechts Studie als PDF

Gegendarstellung zum Artikel „Religion wird bunter – Glaube in Deutschland“ von Klaus Krämer auf Deutsche Welle vom 10. August 2012

Der Artikel (dw.de/p/15CgH) liefert Zahlen zu den Religionen Deutschlands in einer Grafik, die durch eine Quellenangabe „REMID“ suggeriert, es handele sich zumindest teilweise um unsere Zahlen. Ausschließlich die Zahlen zu Muslimen, Buddhismus (letzteres allerdings mit Wert von 2011/12) sowie zu katholischen und evangelischen Christen (nicht: Freikirchen und Sondergemeinschaften) stimmen mit unseren (angegebenes Bezugsjahr 2010) überein.

Grafik: Pfeil nach rechts Unsere Zahlen (Bezugsjahr 2010) beim Mediendienst Integration
Grafik: Pfeil nach rechts Unsere Zahlen (Bezugsjahr 2011) bestellen
Grafik: Pfeil nach rechts Unsere Statistik für Religionen und Weltanschauungen in Deutschland
Grafik: Pfeil nach rechts Artikel im REMID-Blog: „Wer sind die Konfessionsfreien?“

Im übrigen verwendet REMID die im Artikel und der Grafik auftauchenden Begriffe „Sekte“ oder „Sektenanhänger“ nicht (vgl. REMID-Blog „In Sekten? Religiöser Nonkonformismus als Auslöser kultureller Dynamik – aktuelle Ansätze in der Religionsforschung“ sowie „Religionsfreiheit hat in Deutschland keine Lobby“).

Programm „REMID lädt ein…“ im Wintersemester 2012/13

Nachdem im letzten Semester Judentum, Jehovas Zeugen und Wicca an der Reihe waren, geht es im Herbst in die nächste Runde:

  • Am 21. November besuchten wir die Neuapostolische Kirche (Symbol: Pfeil nach rechts Poster), voraussichtlich um 16.00 Uhr in der Heusinger Str. 5 (zwischen Biegen- und Uferstraße).
  • Am 23. Januar besuchten wir die Anthroposophische Gesellschaft in der Waldorfschule in der Ockershäuser Allee 14 um 16.00 Uhr (Symbol: Pfeil nach rechts Poster).
  • Am 13. Februar geht es um Thelema und „Magick“, ab 16 Uhr in der REMID-Geschäftsstelle, Universitätsstr. 55 (Symbol: Pfeil nach rechts Poster)

REMID leistet einen Beitrag zur Interkulturellen Woche in Erfurt: Podiumsdiskussion „Religion in der Moderne“ am 25. September

Die Moderne stellt verschiedene Herausforderungen an Politik und Gesellschaft, wie auch an die vielen in Deutschland vorzufindenden Religionsgemeinschaften. In aktuellen öffentlichen Diskussionen wurde verschiedenen Religionsgemeinschaften vorgeworfen, diesen Herausforderungen aus dem Weg zu gehen, unmodern zu sein oder nicht an die moderne Gesellschaft angepasst zu sein.

Worin bestehen diese Herausforderungen und wie können die Menschen, gleich ob religiös oder nicht, diesen Herausforderungen begegnen? Diesen Fragen geht REMID in Form einer Podiumsdiskussion am 25. September 2012 (18-20 Uhr) nach, die in Zusammenarbeit mit der Universität Erfurt als Beitrag zur Interkulturellen Woche 2012 durchgeführt wird. Gäste auf dem Podium sind Mitglieder verschiedener in Thüringen vertretener Religionsgemeinschaften: der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinden in Deutschland, des Islam, der Römisch-Katholischen Kirche und der Russisch-Orthodoxen Kirche. Die kulturwissenschaftliche Sichtweise auf das Thema wird ein Religionswissenschaftler der Universität Erfurt dem Publikum näher bringen. Veranstaltungsort ist das Café Nerly, Marktstrasse 6, 99084 Erfurt. Eintritt frei!