Im Februar 2020 findet keine Veranstaltung der Reihe „Religion am Mittwoch“ statt, welche gemeinsam mit anderen Trägern vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst REMID e.V. verantwortet wird. Ich hatte als Vertretung des Vorsitzes von REMID mein Veto gegen den Vorschlag, Frau Susanne Schröter einzuladen, eingelegt, so dass die Veranstaltung jetzt ohne Beteiligung unseres Vereins stattfindet und außerhalb der Reihe steht.
Mein persönliches Statement: Leider findet sie dennoch statt – zur gleichen Zeit an einem anderen Ort. Vertreter*innen von SDS.dielinke Marburg, vom Autonomen Schwulenreferat der Universität sowie des Intersektionalen Black_PoC feministischen Archives haben jetzt zu einer Gegenveranstaltung aufgerufen: Antimuslimischem Rassismus keine Bühne bieten: Gegen Dr. Susanne Schröters Vortrag zum „Politischen Islam“ an der Philipps-Universität Marburg (01.02.2020).
Persönlich unterstütze ich die Kritik an Frau Schröter. Und insgesamt muss das (bundesweite, globale) Fachgebiet der Religionswissenschaft sich fragen, ob und wie es sich grundsätzlich politisch positionieren möchte. Es geht hier nicht nur um essenzialistisch aufgeladene Kulturkonzepte, die Ablehnung von als „postmodern“ markierter und scheinbar „erweiterter“ Rassismusbegriffe oder Bevorzugungen unterschiedlicher Schulen von Feminismus. In doppelter Perspektive geht es ebenso um die Verantwortung in der Expert*innenrolle gegenüber den Medien. Das beginnt dabei, nicht Blättern wie Tichy’s Einblick oder der Achse des Guten in der Sache ausschließlich affirmative Interviews zu geben und sie in ihrer islamfeindlichen Agenda damit letztlich zu unterstützen. Dazu müsste gehören, das eigene Interesse an einer politischen Agenda mindestens besser von der Expert*innen-Rolle zu trennen, und noch eher, nicht politisch fragwürdige Narrative wie das der angeblich bedrohten Meinungsfreiheit oder das der sogenannten „Political Correctness“ zu reproduzieren.
Auf der anderen Seite liest sich das Zitat des damaligen DITIB-Vorsitzenden „Das Kopftuch ist nicht so wichtig“ (Zeit.de, 2004) unter „Kleidungsvorschriften“ aus unserer damaligen „Informationsplattform Religion“ heute wie aus der Zeit gefallen. Doch weder der Grad, wie stark der Einfluss Erdogans auf den größten Moscheeverband und dessen Radikalisierung zugenommen hat, noch dass auch im Verein der Fall vorgekommen war, Islamismus konkret vor Ort nicht unmittelbar erkannt zu haben (siehe Islam im fairen Handel, 2015), rechtfertigt elaborierte Varianten eines Islamisierungstopos, die mit der Erzählung einer „Unterwanderung“ der Zivilgesellschaft arbeiten.
Am erstaunlichsten finde ich, dass es kaum versierte Auseinandersetzung mit Frau Schröters öffentlichen Thesen gibt:
Samuli Schielke: Es geht nicht um Hass, Zenith (2018).
Rezension: Salafismus in Deutschland: Gefährliche Wissenschaft? Rezension zum Werk Nina Käsehages remid.de, (2018).
Marianne Arens: Das Zeter-Geschrei über den Protest gegen die Frankfurter „Kopftuch-Konferenz“ (2019).
Bahar Sheikh: Frankfurt ist überall, analyse und kritik (2019).
- Nachtrag: Am 2. Februar ist ebenfalls ein Statement der Linken Fachschaft erschienen: Sachliche Auseinandersetzung statt Empörung.
Kris Wagenseil
Themenseite Islam bei REMID.