Veranstalter wehren sich gegen die Vorwürfe von Michael Nüchtern.
Presseerklärung vom 24. März 1998
Als nicht belegbare Unterstellung bezeichnen die Veranstalter der Tagung „Streitfall Neue Religionen“ die Vorwürfe von Michael Nüchtern, die am Dienstag über epd verbreitet wurden. Der Leiter der EZW in Berlin hatte behauptet, die von REMID zusammen mit dem Center for the Study of New Religions (CESNUR), Turin, veranstaltete Tagung „Streitfall Neue Religionen“ (Marburg, 27. bis 29. März 1998) nehme Ergebnisse vorweg, sei politisch ausgerichtet, diagnostiziere eine „Gefahr für die Religionsfreiheit“ und sei gegenüber den „neuen Sekten und religiösen Kulten insgesamt nicht kritisch genug“. Offensichtlich müssen Herr Nüchtern und mit ihm Hans Gasper von der Zentralstelle Pastoral der Deutschen Bischofskonferenz ihre Absage als Referenten der Marburger Konferenz auf Kosten Dritter begründen, nachdem ihre Teilnahme kirchenintern immer umstrittener wurde. Im Ergebnis unternehmen Nüchtern und Gasper das, was sie REMID vorwerfen: sie selbst politisieren die Tagung. Allerdings kann REMID mit dem Etikett „politisch“ dann sehr gut leben, wenn die von REMID wie von anderen geforderte Versachlichung der Diskussion um neue Religionen bereits als Politikum angesehen werde. Hier fühlen wir uns aber mit Nüchtern und Gasper einig, denn auch sie mahnen eine Versachlichung und eine differenziertere Sichtweise auf die von niemandem geleugneten Probleme an. Durch die von Nüchtern erhobenen und von Gasper unterstützten Vorwürfe ergibt sich weiterhin der Eindruck, als sollten im Vorfeld Klärungen ganz anderer Art vorgenommen werden: wer sich in der Öffentlichkeit über neue Religionen äußern darf und wer nicht. Gerade der Vorwurf, man sei den Sekten gegenüber zu unkritisch, deutet darauf hin. Mit diesem Argument wurde bereits früher versucht, religionswissenschaftliche Positionen auszugrenzen. Für REMID ist diese Unterstellung umso unverständlicher, da der Verein 1995 ein in der Religionswissenschaft viel beachtetes Symposium zur Frage „Kritik an Religionen“ veranstaltet hat – übrigens auch unter Beteiligung eines kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten. Die kurzfristigen Absagen von Nüchtern und Gasper sind auch deshalb bedauerlich, weil für die Diskussionen auf der Tagung wichtige Perspektiven wegfallen. Nüchtern und Gasper sind für REMID keine „Feigenblätter“, sondern gleichberechtigte Teilnehmer. Auch von einer diagnostizierten „Gefahr für die Religionsfreiheit“, wie Nüchtern sie unterstellt, war niemals die Rede. Es geht nicht um die Problematik der Grundrechtsgarantie nach Art. 4 GG, sondern um die Frage nach der Stigmatisierung abweichenden Verhaltens und der Toleranzfähigkeit der Gesellschaft. Nach dem seit Februar feststehenden Tagungsprogramm werden in Marburg folgende Themen auf wissenschaftliche, und das heißt diskursive Weise behandelt:
– Stand und Perspektive der religionswissenschaftlichen Forschung über Neue Religionen
– „Gehirnwäsche“ und „mind-control“ in psychologischer Perspektive
– Die rechtliche Situation von Religionen in den USA
– Wissenschaftliche Erkenntnisse über abweichendes Verhalten und die öffentliche Meinung.
– Die Diskussion über neue Religionen in Deutschland aus der Perspektive amerikanischer Religionsforschung.“