Erläuterungen zur REMID-Statistik der Mitgliederzahlen von Religionsgemeinschaften

Die statistischen Angaben zu den Mitgliedszahlen der Religionsgemeinschaften in Deutschland, die REMID im Internet veröffentlicht, werden nach bestem Wissen und Gewissen erhoben und wiedergegeben. Der Natur der Sache nach kann weder eine Gewähr der Vollständigkeit noch für alle angezeigten Gemeinschaften eine Gewähr der Richtigkeit übernommen werden. Auch REMID ist bei einigen Gemeinschaften auf Schätzungen angewiesen, da nur ein Teil der aufgeführten Gemeinschaften genaue Mitgliederlisten führt.

Für die Nutzerinnen und Nutzer unserer Angaben sei deshalb auf einige Punkte, die für die Arbeit mit diesen Zahlen beachtet werden sollten, eingegangen:

 

1. Die Unterscheidung von Mitgliedern und Anhängern

1.1. In den Angaben fallen zunächst die hohen Werte für die beiden christlichen Großkirchen auf. Als Volkskirchen zählen die evangelischen Landeskirchen und die römisch-katholische Kirche alle in ihrer Kirche getauften Menschen als Mitglieder. Die Erhebungen, die insbesondere auf evangelischer Seite durchgeführt werden, zeigen, daß nur ein relativ kleiner Teil der nominellen Mitglieder aktiv in ihren Gemeinden mitarbeitet, daß ein großer Teil kirchliche Leistungen nur in bestimmten Lebenssituationen in Anspruch nimmt und ein wiederum etwas kleinerer Teil am kirchlichen Leben überhaupt nicht teilnimmt.

Diese Differenzierungen lassen sich auch auf die orthodoxen Kirchen wie auf den Islam übertragen. Die relativ hohen Mitgliederzahlen einiger orthodoxer Kirchen beruhen darauf, daß in der Statistik davon ausgegangen wird, daß der Anteil der Bevölkerung eines Landes, der sich einer bestimmten Religion zurechnet (z. B. der serbisch-orthodoxen Kirche) auch in der Migrationssituation in Deutschland zu dieser Religion gezählt werden kann. Gleiches gilt für den Islam. Selbstverständlich gibt es auch im Islam „säkulare Muslime“, d. h. Menschen, die kraft ihrer Herkunft als Muslime gezählt werden, für die im Lebensvollzug der Islam jedoch keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Bei kleineren Gemeinschaften hingegen, v. a. bei solchen aus dem christlichen Bereich, kann in der Regel davon ausgegangen werden, daß die Mitglieder auch aktiv am religiösen Leben teilnehmen und daß die in der Gemeinschaft vertretenen Lehren bestimmend für ihren Lebensvollzug sind.

Die in der REMID-Liste wiedergegebenen Zahlen versuchen – abgesehen von den unter 1.1. gemachten Einschränkungen -, nur die ins kultische Leben der Religionsgemeinschaft eingebundenen Mitglieder einer Gemeinschaft zu nennen.
1.2. Auf Schätzungen müssen die Zahlen bei all denjenigen Gemeinschaften beruhen, bei denen keine formale Mitgliedschaft existiert. Dies ist v. a. bei neueren religiösen Bewegungen des öfteren der Fall. Es gibt zahlreiche Gemeinschaften, die eine explizite, formale Mitgliedschaft ablehnen und in denen sich gleichwohl eine Gemeindebildung vollzogen hat. Bei anderen Gemeinschaften wiederum ist nur ein relativ kleiner Kreis von Menschen über eine formale Mitgliedschaft an die Gruppe gebunden, während eine größere Zahl zur „Gemeinde“ gehört.
Hier versucht die REMID-Liste, mit der genannten Zahl denjenigen Personenkreis anzugeben, der aktiv mit einer Gemeinschaft verbunden ist. Besteht ein bestimmbares sog. Umfeld, das z. B. wie im Falle von ISKCON relativ regelmäßig an Veranstaltungen teilnimmt, ohne selbst ein Mönchsgelübde abgelegt zu haben und auch nicht alle in der Gemeinschaft gelehrten Lebensregeln beachtet, ist dies – sofern möglich – mit angegeben.

2. Eigen- und Fremdangaben zu Mitgliedern und Anhängern

2.1. Auch REMID ist auf die von Gemeinschaften gemachten Angaben zu ihren Mitgliedern resp. Anhängern angewiesen. In den Fällen, wo diese Angaben nicht glaubwürdig erscheinen, fließen Ergebnisse der in der Literatur wiedergegebenen Forschungen oder anderweitiger Erhebungen in die genannten Zahlen ein.
Diese Problematik wird insbesondere bei neuen religiösen Bewegungen relevant, wie ein anonymisiertes Beispiel zeigen kann: In der Kritikerliteratur wurde für eine neue religiösen Gemeinschaft immer wieder die Zahl von 100.000 Anhängern genannt. Die Gruppe selbst konnte keine Angaben machen, da es eine Mitgliedschaft im engeren wie im weiteren Sinne nicht gebe. Da die Botschaft aber unter anderem über Radio verbreitet werde, könne man durchaus davon ausgehen, daß zehntausende Menschen oder mehr der Botschaft folgten. Eine Nachfrage jedoch ergibt, daß zur Kerngruppe der Gemeinschaft einschließlich der Familienangehörigen rund 1.000 Menschen zählen. Darüber hinaus veranstaltet die Gemeinschaft noch in 50 Orten der Bundesrepublik regelmäßige Treffen. Die eigene Beobachtung von solchen Treffen zeigt, daß in den besuchten lokalen Gruppen regelmäßig zwischen 10 und 20 Personen teilnehmen, was noch einmal rund 1.000 relativ fest gebundene Anhänger („Mitglieder“ im nicht-formalen Sinne) ergibt. Nun kann auf Basis dieser Berechnung noch eine „Dunkelziffer“ nicht erfaßter Personen angenommen werden, so daß auf dieser Basis in der REMID-Statistik von 3.000 Mitgliedern/Anhängern gesprochen werden würde.

2.2. REMID gegenüber wurde des öfteren die kritische Anfrage entgegengebracht, daß für eine quantitative Bewertung einer Gemeinschaft nicht unbedingt die aktiven, relativ fest eingebundenen Menschen wichtig seien, sondern diejenigen, die bereits einmal Kurse oder ähnliches in einer Gemeinschaft absolviert hätten.
Die Forschung zeigt, daß die Fluktuation von Menschen, die ein Angebot einer Gemeinschaft wahrnehmen oder sich intensiver auf eine Gemeinschaft einlassen, sehr hoch ist. Im Umkehrschluß bedeutet das, daß die Verweildauer eines großen Teils von Menschen in einer neuen religiösen Gemeinschaft relativ kurz ist. Darüber hinaus zeigt die Forschung, daß Menschen im Laufe der Jahre Angebote verschiedener, in ihren Überzeugungen auch entgegengesetzter Gemeinschaften wahrnehmen. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, daß die während einer aktiven Zeit in einer Gemeinschaft übernommene Lehre das Leben eines Menschen auch über die Zeit der aktiven Mitgliedschaft hinaus weiter bestimmt. Es mögen Versatzstücke sein – z. B. die positive Haltung zu Meditation ‚an sich‘ -, die fortwirken, nicht aber das gesamte, manchmal auch in der öffentlichen Kritik stehende Lehrgebäude einer Gemeinschaft. Deshalb gibt nach Auffassung von REMID die Zahl der aktiven Mitglieder / Anhänger durchaus einen Hinweis auf die Reichweite der vertretenen religiösen oder spirituellen Überzeugung wie auch auf die organisatorische Stärke einer Gemeinschaft. Selbstverständlich aber müssen beispielsweise in der Bewertung der Akzeptanz religiöser Vorstellungen in der Gesellschaft empirische Forschungen hinzukommen – beispielsweise über die Haltung zu Meditation. Nur kann auch dann kein Rückschluß auf die Reichweite einer bestimmten, religiös motivierten Meditationspraxis einer bestimmten Gemeinschaft geschlossen werden. Für eine öffentliche Bewertung spielen darüber hinaus ohnehin die vertretenen Überzeugungen oder die soziologische Zusammensetzung der Anhänger – einschließlich der damit verbundenen finanziellen Möglichkeiten – eine Rolle, die je für den konkreten Fall zu untersuchen ist.

3. Quellen der REMID-Statistik

In der Regel taucht in den Angaben „REMID“ als Quelle auf. Abgesehen davon, daß die Nennung der jeweiligen Quelle(n) zu einer großen Unübersichtlichkeit in der Darstellung führen würde, werden die bei REMID eingehenden Informationen über Mitglieder / Anhänger einer Gemeinschaft von REMID auf ihre Glaubwürdigkeit hin geprüft, ehe sie in unserer Liste veröffentlicht werden. Dies trifft auch dann zu, wenn die Eigenangaben einer Gemeinschaft wie z. B. im Falle der Zeugen Jehovas übernommen werden. Bei konkurrierenden Angaben – wie oben im Falle von neueren religiösen Gemeinschaften dargestellt -, kann es der Fall sein, daß auch hier eine Schätzung seitens REMID vorgenommen wird. REMID steht aber dafür ein, daß die veröffentlichten Angaben glaubwürdig sind und im Falle, wo eindeutige Angaben nicht vorliegen, den realen Verhältnissen weitgehend nahekommen.

Mai 2001
Steffen Rink

Ein Kommentar:

  1. Man vgl. auch den Beitrag Was ist eigentlich eine Weltanschauung? (Juni 2015) für die Rubrik der Sonstigen („Neue Religionen“ und „Esoterik“).

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Autor*in: REMID e.V.