Die Synagogen bilden das Zentrum des jüdischen Gemeindelebens. In ihnen werden die Gottesdienste abgehalten, außerdem ist die Synagoge Ort der religiösen Unterweisung und kultureller Veranstaltungen. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Versammlung“. Auf Hebräisch heißt die Synagoge Bet Kneset – „Haus der Versammlung“ oder „Haus der Zusammenkunft“.
Entstehung der Synagogen
In israelitischer Zeit war der Tempel in Jerusalem das zentrale Heiligtum der Juden. Hinweise deuten darauf hin, dass erste Synagogen als „kleine Heiligtümer“ in der Zeit des babylonischen Exils (ca. 597 bis 538 vor unserer Zeitrechnung) entstanden sind. Sicher ist, dass die Synagoge im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung ein fester Bestandteil des jüdischen Lebens war. Nicht nur in der Diaspora, sondern auch in Israel selbst wurde die Synagoge der zentrale Versammlungsort der Gemeinde – auch in der Zeit des wiedererrichteten zweiten Tempels. Viele Tempelrituale wurden in die Synagoge übernommen, und auch die Gebetszeiten sind den Zeiten des Tempelopfers entlehnt.
Ausstattung und Architektur
Das Gebet und vor allem die Lesung aus der Tora bilden den Mittelpunkt des jüdischen Gottesdienstes.
Die Torarollen werden in einer kunstvollen Truhe, der Aron Kodesch (Toraschrein, wörtlich: heilige Lade) aufbewahrt, oft hinter einem Vorhang (Parochet). Die Tora-Lesung erfolgt von einem Pult aus, das auf einem Podest steht („erhöhter Platz“ bzw. „Podium“, hebräisch: Bima), das sich meist in der Mitte des Raumes befindet.
Die weitere Ausgestaltung variiert je nach Tradition, in der die jüdische Gemeinde steht. Synagogen des chassidischen Judentums sind eher klein und kaum geschmückt. Gemäß den traditionellen Vorstellungen sitzen auch hier Männer und Frauen getrennt voneinander. Der Platz der Frauen befindet sich entweder hinter einer „Abtrennung“ (hebräisch: Mehisa), ein im hinteren Teil des Raums oder auf einer Empore. Im Reformjudentum, das im 19. Jahrhundert in Deutschland entstand, wurde die Trennung von Männern und Frauen aufgehoben, da es hierfür keine Grundlage in den Tora gebe. Außerdem fand durch diese Strömung die Orgel Einzug in die Synagoge. Schließlich wurde der Platz der Bima häufig vor oder in östlicher Richtung neben der Aron Kodesch platziert.
Nach der Tradition soll die Synagoge am höchsten Punkt eines Ortes stehen. In der Diaspora hingegen durften Synaogen die umstehenden Gebäude nicht überragen – eine Regel, die zum Beispiel in Deutschland noch bis ins 18. Jahrhundert Bestand hatte. Das führte dazu, dass der Grundstein der Gebäude häufig unterhalb des Straßenniveaus gelegt wurde, um den notwendigen Raum zu schaffen. Der Grundriss der Synagogen zeigt eine West-Ost-Achse; an der nach Jerusalem ausgerichteten Wand – in Europa, Amerika und Afrika also der östlichen – befindet sich der Aron Kodesch.
Im Zuge der Emanzipation wanderten viele Juden in die größeren Städte, was ab dem 19. Jahrhundert den Neubau vieler Synagogen erforderlich machte. Dabei bedienten sich die Architekten Vorbildern des jeweiligen Zeitgeistes. Ab dem 19. Jahrhundert entstanden viele Gebäude in einem orientalischen Stil, während um die Jahrhundertwende der neugotische Stil überwiegte, aber auch Jugendstil-Synagogen wurden errichtet. Dies hat sich bis heute fortgesetzt, so dass es – anders als zum Beispiel im Islam – keine typische Architektur für Synagogen gibt.
Ob der Synagoge auch ein Ritualbad (Mikwe) zugehört, hängt von der Größe der Gemeinde ab. Gleiches gilt für das Bet Midrasch, das „Haus des Studiums“. Das manchmal auch „kleine Synagoge“ genannte Gebäude bzw. Raum dient im orthodoxen Judentum dem Studium der Tora und des Talmud – nicht nur für zukünftige Geistliche, sondern auch für „gewöhnliche“ Gläubige. Im neueren Judentum ist diese Funktion jedoch weitgehend verloren gegangen, da die religiöse Ausbildung an eigens dafür eingerichteten Institutionen erfolgt. Anders hingegen bei orthdoxen Gemeinden in Osteuropa. Ist ein Bet Midrasch vorhanden, wird es meist für Gottesdienste unter der Woche, an dem weniger Personen teilnehmen, oder für kulturelle Veranstaltungen genutzt.
„Judenschule“
Die Verbindung von Gottesdienst und religiöser Unterweisung, die in der Synagoge stattfindet, hat seit dem Mittelalter auch zur Bezeichnung „Judenschule“ geführt. Damit war oft auch eine abwertende Haltung ausgedrückt. Insbesondere im Unterschied zu den strengen Gottesdienstformen im protestantischen Christentum war bzw. ist der jüdische Gottesdienst weitaus lebhafter. Das kann jedoch nicht als fehlende Ernsthaftigkeit der Gottesdienstteilnehmer charakterisiert werden, im Gegenteil: die ganze Gemeinde nimmt auch emotional am Geschehen teil und zeigt dies durch ihr im protestantischen Sinne „undiszipliniertes“ Verhalten.
Zerstörung und Schändung von Synagogen
Im Zuge antisemitischer Gewalt gegen Juden waren und sind immer wieder auch Synagogen das Ziel von Anschlägen. Mit der Zerstörung der Synagoge soll der Mittelpunkt des Glaubenslebens, die religiöse Orientierung der Gemeinde vernichtet werden. Die Zerstörung soll vermitteln, dass Menschen jüdischen Glaubens in einer nichtjüdischen Kultur kein Existenzrecht besitzen. So zieht sich die Zerstörung von Synagogen oder ihre Schändung, das heißt ihre Beschmutzung zum Beispiel durch antisemitische Symbole und Parolen, durch die Geschiche der jüdischen Diaspora.
Ihren Höhepunkt erlebte die Zerstörung von Synagogen jedoch in der Reichspogromnacht am 9. November 1938. Auf Geheiß der NSDAP wurden in Deutschland über 400 Synagogen durch Angehörige der SA, teilweise unterstützt von der Bevölkerung, in Brand gesteckt. Zahlreiche weitere Landsynagogen wurden demoliert – das Anzünden schien zu gefährlich, da diese Synagogen oft leicht brennende Fachwerkbauten waren, die nahe an Häusern, Scheunen oder Stallungen standen. Die Polizei durfte nicht eingreifen, die Feuerwehren hatten lediglich dafür zu sorgen, dass das Feuer nicht auf angrenzende Gebäude übergriff. In der Politik der Vernichtung des europäischen Judentums war die Reichspogromnacht der vorläufige Höhepunkt, nachdem zuvor zahlreiche Gesetze die Ausgrenzung der jüdischen Menschen aus dem öffentlichen Leben zum Ziel hatten und nach 1941 die so genannte Endlösung, das heißt Deportation der Juden in die großen Vernichtungslager, umgesetzt wurde. Die ausgebrannten Gebäude wurden meist abgerissen. Erhalten gebliebene Synagogen gingen nach der örtlichen Vertreibung der Juden in den Besitz der nichtjüdischen Bevölkerung über, die sie für andere Zwecke verwendete.
1994 gab es in Lübeck den ersten Brandanschlag auf eine Synagoge in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Synagogen als Orte der Erinnerung
Die Orte, an denen bis zur Reichspogramnacht 1938 Synagogen gestanden haben, sind heute oft nur noch durch Gedenktafeln zu erkennen. Die Grundstücke wurden überbaut, manchmal finden sich freie Plätze, die noch den Grundriss des ehemaligen Gebäudes zeigen. Nur in wenigen Fällen, wie etwa der Neuen Synagoge in Berlin, konnten die Gebäude erhalten und nach 1945 weiter genutzt werden. Die ehemaligen Synagogen sind daher vor allem Orte der Erinnerung an den Terror der faschistischen Gewaltherrschaft.
Eine andere Situation gibt es in ländlichen Gegenden, wo viele Juden als Bauern oder kleine Händler lebten. Erst in jüngster Zeit werden ehemalige Landsynagogen wieder „entdeckt“. Die ehemaligen Synagogen wurden als Scheune oder Garage benutzt, die frühere Funktion wurde vergessen und verdrängt. In der Regel gibt es keine jüdische Gemeinde mehr. Dadurch sind viele dieser ehemaligen Synagogen dem Verfall ausgeliefert, so dass Zeugnisse des ländlichen Judentums zu verschwinden drohen. Die Wiederherstellung der Gebäude mit ihren Wand- und Deckenmalereien ist sehr kostspielig, und viele kleine Gemeinden können die notwendigen Beträge für Restauration und zukünftige Nutzung nicht aufbringen. Gleichzeitig gibt es örtliche Widerstände, weil die Geschichte dieser Landsynagogen die Verstrickung der einzelnen Menschen in das System von Wegschauen und Bereicherung deutlich macht. Im Unterschied zu den größeren Städten, in denen jüdisches Leben wieder erstanden ist und das Gedenken an die Zerstörung der Synagogen wach gehalten wird, muss eine Kultur der Erinnerung an das jüdische Leben und seine Vernichtung in ländlichen Gegenden häufig erst noch entwickelt werden. Zahlreiche Vereine mit engagierten Menschen setzen sich für den Erhalt dieser Synagogen und die Nutzung als lokale Gedenkstätte ein.
Informationen im Internet
Im Internet gibt es zahlreiche Webseiten zu Synagogen -alte und neue, Seiten von jüdischen Gemeinden und Seiten von Projekten in Schule und anderswo, die sich mit dem Judentum und der Synagoge auseinandergesetzt haben. Der Eintrag „Synagoge“ in eine beliebige Suchmaschine führt zu unzähligen Seiten. Diese informieren über die Geschichte der jeweiligen Synagoge oder über die Synagogen allgemein – ähnlich wie der Info-Text der Informationsplattform. Darüber hinaus gibt es weitere Angebote bei den jüdischen Webseiten halalil.com und juden.de.
Die folgenden Links sind deshalb eine Auswahl, die einige der im Info-Text angesprochenen Aspekte beispielhaft aufzeigt.
Judentum als Lebensform: Die Synagoge
Zusammenstellung von Alois Payer. Mit vielen Bildern, daher lange Ladezeiten.
>> Die Synagoge
Liturgische Musik in der Synagoge
Seite des Hörfunkjournalisten Heinz-Peter Katlewski, unter anderem mit Sendemanuskripten und einigen Links zum Thema
>> Musik in der Synagoge
Rekonstruktion zerstörter Synagogen in Deutschland
Unter wissenschaftlicher Begleitung von Salomon Korn wurden am Fachbereich Architektur der TU Darmstadt Rekonstruktionen von Synagogen hergestellt, am 9. November 1938 der Zerstörung zum Opfer fielen. Das Schwergewicht der Darstellung liegt auf den Darstellungen der Gebäudearchitektur, aber auch die Geschichte der einzelnen Synagogen wird kurz dargestellt; meist mit weiterführenden Literaturhinweisen. Im Einzelnen sind folgende Synagogen rekonstruiert: Berlin, Darmstadt, Dortmund, Dresden, Frankfurt a. M., Hannover, Kaiserslautern, Köln, Leipzig, München, Nürnberg und Plauen.
>> Virtuelle Rekonstruktion
Synagoge Guxhagen
Beispiel für die Arbeit eines Fördervereins zur Bewahrung der ehemaligen Landsynagoge im nordhessischen Guxhagen.
>> Förderverein „Ehemalige Synagoge“ e. V. Guxhagen
Synagoge Odenbach
Die Synagoge Odenbach aus dem Jahr 1752 ist die älteste erhaltene Synagoge in der Pfalz. Zum Erhalt wurde ein Förderverein gegründet. Zahlreiche Bilder dokumentieren das Innere und Äußere des Gebäudes.
>> Förderverein ehemalige Synagoge Odenbach e. V.
Landsynagoge Roth
Die ehemalige Synagoge im mittelhessischen Roth wurde 1998 als Gedenkstätte und Lernort eröffnet. Das Beispiel zeigt ein gelungenes Nutzungskonzept einer ehemaligen Landsynagoge, bestehend aus Ausstellungen, Lesungen, Angeboten für Schulen und anderem, das in Zusammenarbeit mit weiteren lokalen Institutionen umgesetzt wird.
>> Arbeitskreis Landsynagoge Roth e. V.
Autor: Steffen Rink, 2002 (Links 2018 geprüft).
Themenschwerpunkte
Religionsfreiheit
Islam
Christentum aus religionswissenschaftlicher Sicht
Religionen der Welt
Weltanschauungen und Säkularität
Esoterik und alternative Spiritualität