Informationsplattform Religion: Feiertage und Kalender im Judentum

Der jüdische (hebräische) Kalender

Die jüdische Zeitrechnung beginnt mit der Schöpfung der Welt, wie sie sich aus der Zurückrechnung der biblischen Chroniken ergibt. Demnach schuf Gott die Erde im Jahr 3761 vor „unserer“, d. h. der säkularen Zeitrechnung.
Der Kalender kombiniert das Mond- mit dem Sonnenjahr. Daher werden die einzelnen Feiertage zwar immer in der gleichen Jahreszeit begangen, doch die konkreten Tage ändern sich von Jahr zu Jahr.

Der jüdische Kalender kombiniert das Sonnenjahr mit dem Umlauf des Mondes. Die Länge der Monate richtet sich nach dem Mondumlauf (29 bzw. 30 Tage). Das Jahr besteht aus zwölf Monaten, was 353 bis 355 Tage ergibt. Für den Ausgleich mit dem astronomischen Sonnenjahr (365,25 Tage) werden in einem Zyklus von 19 Jahren sieben Schaltjahre eingefügt, die einen zusätzlichen, 13. Monat haben.

Das bedeutet, dass auch die zahlreichen jüdischen Feste, die meist einen Bezug zum Jahreskreislauf haben (z. B. Ernte) oder an Ereignisse der jüdischen Geschichte erinnern, immer in der gleichen Jahreszeit stattfinden, auch wenn sie sich in den einzelnen Jahren um einige Tage verschieben.

In Israel wird der jüdische Kalender offiziell zur Kalenderrechnung genutzt. Für Juden in der Diaspora stellt der Kalender einen religiösen Kalender dar, der die Bestimmung der Fest- und Feiertage ermöglicht, die dann auf die in den jeweiligen Ländern gültigen Kalendarien umgerechnet werden.

Die Namen der einzelnen Monate wurden im babylonischen Exil (6. Jh. vor unserer Zeitrechnung) bestimmt. Ihre Länge und ihre Datierung im säkularen Kalender sind:

(1)  Nisan (30 Tage, März / April)
(2)  Ijar (29 Tage, April / Mai)
(3)  Sivan (30 Tage, Mai / Juni)
(4)  Tamuz (29 Tage, Juni / Juli)
(5)  Aw (30 Tage, Juli / August)
(6)  Elul (29 Tage, August / September)
(7)  Tischri (30 Tage, September / Oktober)
(8)  Cheschwan (29 oder 30 Tage, Oktober / November)
(9)  Kislev (30 oder 29 Tage, November / Dezember)
(10)  Tevet (29 Tage, Dezember / Januar)
(11)  Schwat (30 Tage, Januar / Februar)
(12)  Adar (29 oder 30 Tage, Februar / März)

Der letzte Monat – Adar – wird in Schaltjahren verdoppelt (Adar I, 29 Tage, und Adar II, 29 Tage).

Mit dem Monat Nisan beginnt das Kalenderjahr; der 1. Nisan liegt im März oder April des säkularen Jahres. Das Neujahrsfest wird jedoch am 1. Tag des siebten Monats (Tischri) gefeiert. In diesem Monat soll Gott die Welt erschaffen haben.
Weil es durch den Mondlauf immer wieder Zweifel gibt, welcher Tag der erste Tag eines Monats ist, begehen viele orthodoxe Juden, aber auch Juden in der Diaspora, die Feiertage an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.

Unter Bezug auf die Schöpfungsgeschichte in 1. Mose 1,5 – „Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag“ – beginnt und endet ein Tag mit dem Sonnenuntergang. Das führt dazu, dass auch die Festtage am (Vor-) Abend begonnen werden und ihre Fortsetzung am nächsten Morgen finden. Die Tage selbst haben – außer dem Schabbat, dem siebten Tag der Woche – keine eigenen Bezeichnungen. Die Wochentage werden nach den ersten sechs Buchstaben des hebräischen Alphabets benannt.

Durch Zurückrechnen der biblischen Chronologien ergibt sich, dass Gott im Jahr 3761 vor Christi Geburt die Welt erschaffen hat. Diese Datierung wird seit dem 10. Jahrhundert allgemein akzeptiert. Das bedeutet umgekehrt, dass im christlichen bzw. säkularen Jahr 2002 das Jahr 5763 jüdischer Zeitrechnung begonnen hat.

 

Wichtige Feiertage im Jahreslauf

Neujahr (Rosch ha-Schana)

„Leschna towa tikkatew“ – „Zu einem guten Jahr möget ihr eingeschrieben sein“, begrüßen sich die Juden nach einem traditionellen Brauch am 1. Tischri, dem ersten Tag des jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schana, „Geburtstag er Welt“. Der Gottesdienst ist an diesem Tag gut besucht. Höhepunkt ist das Blasen des Schofar, eines gedrehten Widderhorns: „Am ersten Tag des siebenten Monats sollt ihr Ruhetag halten mit Schaforblasen, zum Gedächtnis, eine heilige Versammlung“ (3. Mose 23,24). In mehreren Intervallen werden 100 Töne geblasen – mal länger, mal abgehackt, dann wieder in einem lang gezogenen Ruf. Der Schofar erinnert an die im 1. Buch Mose 22,1-18, erzählte Geschichte: Abraham will gemäß der göttlichen Anweisung seinen einzigen Sohn opfern, doch Gott lässt dieses Menschenopfer nicht mehr zu – stattdessen opfert Abraham einen Widder. So ist das Horn gleichzeitig ein Symbol der Opferbereitschaft und des Gehorsams gegenüber Gott wie der Barmherzigkeit und der Freude über das erhaltene Leben. Schon zur Zeit der Patriarchen rief der Schofar die Juden zu Versammlungen; seine Töne versammeln das Volk in der ägyptischen Wüste zum Abmarsch. Außerdem erinnert das Blasen an den lauten Posaunenschall, der erklungen sein soll, als die Israeliten die Tora auf dem Berg Sinai empfingen und nach jüdischem Glauben der Bund zwischen Gott und dem Volk Israel erneuert wurde (2. Mose 24,7). Auch bei der Ankunft des Messias wird er einst ertönen. Doch die Vergegenwärtigung dieser Geschichten ist nur ein Aspekt des Tages, denn Rosch ha-Schana hat mehrere Bedeutungen, bei denen sich freudige Stimmungen und ernstes In-Sich-Gehen abwechseln.
Einerseits verbinden die Juden mit diesem Tag das Bewusstsein der inneren Umkehr und der Erneuerung des Bundes zwischen Gott und den Menschen. Auf der anderen Seite ist Rosch ha-Schana ein relativ ernster Feiertag, denn der Neubeginn wird nach jüdischem Glauben mit dem Beginn eines göttlichen Gerichts verbunden. Doch die Gewissheit, dass alle Menschen, die am Neujahrstag vor Gottes Gericht erscheinen und ihre Sünden bereuen, frei gesprochen werden, mildert den Ernst des Gerichts. Das neue Jahr kann deshalb rein von Sünden beginnen – viele Gottesdienstbesucher tragen weiße Kleidungsstücke, da diese Farbe ein Zeichen der Reinheit ist, die schwarze Kippa (Kopfbedeckung) wird durch eine weiße ersetzt, die Torarollen tragen weiße Kappen, der Toraschrein ist mit einem weißen Vorhang bedeckt, und auch Rabbiner und Kantor sind weiß gekleidet.
Die häusliche Feier beinhaltet weitere symbolische Handlungen. Auch hier tragen die Teilnehmer oft ein weißes Kleidungsstück. Nach dem Kiddusch, dem Segen über dem Wein, und dem Segensspruch über der Challa wird eine Scheibe der Challa in Honig getaucht, um damit den Wunsch nach einem süßen Jahr zu verdeutlichen In manchen Familien werden an Stelle der Challa kleine Apfelstücke verwendet. Dann folgt häufig ein weiterer Segen: „Möge es dein Wille sein, Ewiger, unser Gott und Gott unserer Väter, uns ein glückliches und angenehmes Jahr zu wünschen.“ Vielfach ist es heute üblich, dass sich die Familien an diesem Tag mit kleinen Neujahrskarten grüßen.

(Stefan Koppelmann, in: Religionen feiern. Feste und Feiertage religiöser Gemeinschaften in Deutschland. Hg. vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e. V. REMID. Marburg 1997, S. 95-96. Die Buchausgabe ist vergriffen.)

Jom Kippur (Tag der Buße, Versöhnungstag)

Die zehn Tage zwischen Rosch ha-Schana und Jom Kippur am 10. Tischri werden auch als die „Zehn Tage der Reue und Umkehr“ bezeichnet: Es sind die wichtigsten Tage des jüdischen Jahres, da in der traditionellen Vorstellung während dieser Zeit alle Welt vor dem Thron Gottes gerichtet wird. Die jüdische Überlieferung sagt, dass das göttliche Urteil an Rosch ha-Schana „eingeschrieben“, an Jom Kippur, dem Tag der Buße, aber genau „gewogen“ und „besiegelt“ wird. „Chatima towa!“ – „Eine gute Besiegelung“ lautet deshalb der traditionelle Gruß an diesem Tag. Jom Kippur gilt als heiligster Tag im Jahr. Zentrale Bestandteile sind ein 24-stündiges Fasten, das für orthodoxe Juden, die gesundheitlich dazu in der Lage sind, von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang reicht; ferner private Bitten um Verzeihung und Wiedergutmachung unter den Mitmenschen und ein ausführliches gemeinschaftliches Sündenbekenntnis in der Synagoge. Wie beim Neujahrstag wird auch an Jom Kippur in der Synagoge weiße Kleidung getragen. Strenggläubige Juden nehmen an diesem Tag fünf Mal an den Synagogengottesdiensten teil.
Der Gottesdienst am Abend des 9. Tischri, also dem eigentlichen Beginn des Feiertages, beginnt mit dem gesungenen Gebet „Kol Nidre“ (hebräisch: alle Gelübde), mit dem die Juden um Vergebung ihrer Sünden und um die Aufhebung von Gelübden bitten, die zwar gemacht, aber nicht gehalten wurden.
Die feierliche Melodie des Kol Nidre ist die wohl bekannteste der gesamten jüdischen Liturgie; sie stammt aus dem Mittelalter und entstand in einer Zeit, in der Juden häufig mit Gewalt gezwungen wurden, die Bekenntnisse und Gelübde einer anderen Religion anzunehmen: ihrer wird an Jom Kippur besonders gedacht.
In der Nacht des Jom Kippur bleibt die Synagoge geöffnet, um denjenigen einen besonderen Raum zu geben, die zu Gott beten wollen. Am darauf folgenden Morgen des 10. Tischri beginnt der Gottesdienst mit demGebet „Adon Olam“ (hebräisch: „Herr der Welt“), das die Größe Gottes preist und mit dem der Abendgottesdienst des Vortages beschlossen wurde.
Im Gottesdienst am Nachmittag erfolgt die Lesung des Buches Jona, der Geschichte über jenen Propheten, der sich zunächst weigerte, Gottes Auftrag zu erfüllen und sich daraufhin unter anderem auch im Bauch eines Fisches wiederfand (Jona 2,1-11). Wenn die Dunkelheit beginnt, geht der Gottesdienst zu Ende. Noch einmal ertönt ein langer Ton aus dem Schofar; anschließend ruft die Gemeinde: „Nächstes Jahr in Jerusalem“ – damit wird seit vielen Jahrhunderten an die mögliche Rückkehr aus dem Exil in das Land Israel erinnert. In manchen Gemeinden schließt sich ein fröhlicher Tanz an, es wird gegessen und getrunken und in der Familie wird eine Hawdala-Zeremonie durchgeführt.

(Stefan Koppelmann, in: Religionen feiern. Feste und Feiertage religiöser Gemeinschaften in Deutschland. Hg. vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e. V. REMID. Marburg 1997, S. 95-96. Die Buchausgabe ist vergriffen.)

Laubhüttenfest (Sukkot)

In der Tora werden das Laubhüttenfest Sukkot, das Wochenfest Schawuot (6./7. Sivan) und Pessach (14. bis 22. Nisan) auch als die drei jährlichen Hauptfeste bezeichnet, die im ersten Monat des Jahres aneinander anschließen. Alle drei Feste sind mit bedeutenden Ereignissen der israelitischen Geschichte und mit dem bäuerlichen Leben der Israeliten verbunden. Ursprünglich handelte es sich um Wallfahrtsfeste: Bis zu seiner Zerstörung war der Jerusalemer Tempel an diesen Tagen das Ziel einer Pilgerfahrt. Über Sukkot heißt es: „Das Laubhüttenfest sollst du halten sieben Tage, wenn due eingesammelt hast von deiner Tenne und von deiner Kelter, und du sollst fröhlich sein an deinem Fest…“ (5. Mose 16,13). Während der sieben Tage vom 14./15. bis 22. Tischri, die das Fest dauert, sollen die jüdischen Familien in einer kleinen, selbsterbauten Hütte, der Sukka, leben (vgl. 3. Mose 23,42). Sie symbolisieren die behelfsmäßigen Unterkünfte, in denen die Juden während ihrer Wanderung durch die Wüste nach dem Auszug aus dem ägyptischen Exil gelebt haben sollen. In einem anderen Zusammenhang ist Sukkot auch ein Fest der Danksagung für die eingebrachte Ernte; es wird in den letzten Herbst- und Erntetagen gefeiert und bietet so auch die Möglichkeit, Gott für seine Segnungen zu danken und sich gleichzeitig von der Mühsal der Erntearbeit zu erholen. Gleichzeitig soll die Sukka die Menschen nach einer gelungenen Ernte- und Arbeitszeit an die Armut erinnern, die immer auch in den Zeiten des Wohlstands vorhanden ist.
In Deutschland ist das Laubhüttenfest heute vor allem ein Fest für die Jugend. Gemeinsam wird im Gemeindesaal nach einer genauen Anweisung eine Hütte aus Holzplatten und belaubten Ästen errichtet; sie ist dann Schauplatz ausgelassener Freude. Gemäß der jüdischen Überlieferung nehmen auch „sieben heilige Gäste“, nämlich die Seelen Abrahams, Isaaks, Jakobs, Josefs, Moses, Aarons und Davids, unsichtbar an den Feierlichkeiten teil. Zu Sukkot gehört außerdem der traditionelle Brauch der „vier Arten“. An jedem Tag des Festes, außer am Schabbat, sollen vier verschiedene Pflanzen in die Hand genommen werden: Der Etrog, eine Zitrusfrucht; der Lulaw, das sind Palmblätter; Chadassim (Myrtenzweige) und Arawot-Weidenäste. Myrten und Weiden werden mit den Palmblättern zu einem Strauß zusammengebunden, der ebenfalls als Lulaw bezeichnet wird. In den Gemeinden ist es Tradition, diesen Strauß und die Zitrusfruch während des Synagogengottesdienstes von Hand zu Hand zu geben, ihn in verschiedene, vorgeschriebene Richtungen zu bewegen und dabei einen Segensspruch zu sagen. Manche Gemeinden kennen Prozessionen, die mit Etrog und Lulaw mehrmals den Pult des Vorbeters umkreisen.

(Stefan Koppelmann, in: Religionen feiern. Feste und Feiertage religiöser Gemeinschaften in Deutschland. Hg. vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e. V. REMID. Marburg 1997, S. 96-97. Die Buchausgabe ist vergriffen.)


Torafreudenfest (Simchat Tora)

Der Festtag Simchat Tora am 23. Tischri ist das „Torafreudenfest“ -dieser Tag dient der Freude über die göttlichen Weisungen, wie sie in der Tora aufgezeichnet sind. Die fünf Bücher Mose sind in Abschnitte aufgeteilt, die während der Gottesdienste im Laufe eines Jahres vorgelesen werden; Anlass des Festes Simchat Tora ist der Wechsel vom letzten Kapitel des letzten Buches (5. Mose; Deuteronomium) zum Anfang der Schöpfungsgeschichte (1. Mose; Genesis). Der Höhepunkt des Festes findet in der Synagoge statt: Alle Torarollen werden aus ihren Schreinen geholt und während des Morgen- und Abendgottesdienstes in feierlichen Umzügen, den Hakkafot, durch die Synagoge und um das Podium in der Mitte herum getragen; außerdem werden alle männlichen Gottesdienstbesucher, die über 13 Jahre alt sind, während des Morgengottesdienstes zur Lesung des letzten Abschnittes der Tora aufgerufen. Manchmal dürfen auch Kinder unter 13 Jahren unter Anleitung des Vorbeters einen Segen über die Tora sprechen. Bei den Kindern ist Simchat Tora ein sehr beliebtes Fest, da sie im Gottesdienst so zu sagen „Narrenfreiheit“ genießen und den Anwesenden Streiche spielen können, ohne dass sie eine Strafe zu befürchten haben. Zwischen den Hakkafot wird manchmal getanzt und manchmal gesungen; vor allem die anwesenden Kinder sind ausgelassen und laufen zwischen den Stühlen herum.
In Jerusalem und in den anderen israelischen Städten wird mittlerweile auf den Straßen und Plätzen getanzt, gefeiert und gebetet. Alle Juden, ob orthodox oder liberal, nehmen teil: Väter mit ihren Söhnen und zunehmend auch die Mütter mit ihren Töchtern ziehen von Synagoge zu Synagoge. Überall werden Tora-Rollen aus ihren Schränken geholt und durch die Synagogen getragen; ständig bilden sich neue Kreise, in denen gesungen und getanzt wird, und auch die jüdischen Touristen aus aller Welt, die sich an jenem Tag in Israel aufhalten, sind dabei. Auch in vielen deutschen Gemeinden wird nach dem Gottesdienst getanzt und gefeiert; im Gemeindezentrum werden Getränke und Gebäck angeboten.


(Stefan Koppelmann, in: Religionen feiern. Feste und Feiertage religiöser Gemeinschaften in Deutschland. Hg. vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e. V. REMID. Marburg 1997, S. 97-98. Die Buchausgabe ist vergriffen.)

Lichterfest (Chanukka)

Acht Tage, vom 25. Tislev bis zum 2. Tevet, dauert Chanukka, was soviel wie „Weihung“ bedeutet. Während dieses Festes, das normalerweise in den Dezember fällt, erinnern sich die Juden an die Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem für den Gottesdienst nach dem Ende der syrisch-hellenischen Verfolgung im Jahr 165 vor unserer Zeitrechnung. So symbolisiert Chanukka immer auch den Sieg der Schwachen gegen eine scheinbar übermächtige Unterdrückung. Die Hauptzeremonie besteht aus dem Anzünden eines achtarmigen Leuchters.
Eine alte Legende berichtet vom „Lichtwunder“: Im Tempel war ein kleiner Krug erhalten geblieben, der aber nur ein winziges Tröpfchen Öl enthielt – es reichte jedoch für acht Tage. Deshalb wird Chanukka auch als „Lichterfest“ bezeichnet. Das Anzünden geschieht stets nach Einbruch der Dunkelheit in der Familie und in der Synagoge. In manchen jüdischen Familien gibt es nur einen Leuchter, in anderen besitzt jedes Familienmitglied einen eigenen. An jedem der acht Tage wird – von links nach rechts – eine Kerze mehr angezündet. Anschließend werden Chanukkalieder angestimmt; die Kinder erhalten Geschenke. In den Familien werden häufig Krapfen und Kartoffelpfannkuchen zubereitet.

(Stefan Koppelmann, in: Religionen feiern. Feste und Feiertage religiöser Gemeinschaften in Deutschland. Hg. vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e. V. REMID. Marburg 1997, S. 98. Die Buchausgabe ist vergriffen.)

Fest der Lose (Purim)

Purim, gefeiert am 14. Adar II, dem zusätzlichen Schaltmonat, erinnert an jene biblische Erzählung, derzufolge die Königin Esther durch ihren Mut eine geplante Verfolgung und Vernichtung aller Juden verhindern konnte. Ihr Widersacher Haman wurde zu einem Symbol des Judenhasses – wenn sein Name während des Gottesdienstes, in dem an diesen Vorgang erinnert wird, fällt, erzeugen die anwesenden Kinder mit eigens dafür hergestellten Rasseln und Klappern lauten Krach. Purim wird heute sehr ausgelassen gefeiert; die Überlieferung sieht „essen, trinken und lustig sein“ vor – ein festliches Essen, das in der Familie und mit Freunden eingenommen wird, dient der Erfüllung dieses Gebots. Viele Kinder beteiligen sich außerdem an karnevalistischen Umzügen, die in Deutschland vor den Gemeinden veranstaltet werden.

(Stefan Koppelmann, in: Religionen feiern. Feste und Feiertage religiöser Gemeinschaften in Deutschland. Hg. vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e. V. REMID. Marburg 1997, S. 98-99. Die Buchausgabe ist vergriffen.)

Fest der ungesäuerten Brote (Pessach)

Das achttägige Pessach (14. bis 22. Nisan) vergegenwärtigt die Befreiung des jüdischen Volkes aus der Sklaverei in Ägypten; Bräuche und Liturgie des siebentägigen Festes symbolisieren Ereignisse, die laut Überlieferung mit der Sklaverei oder dem Auszug aus Ägypten in Verbindung stehen. „Sieben Tage sollt ihr ungesäuertes Brot essen“ (2. Mose 12,15) – an Pessach gilt das Verbot, Chamez zu essen oder im Haus aufzubewahren oder auch nur anzusehen. Chamez ist im engeren Sinne gesäuertes, also mit Sauerteig hergestelltes Brot, in der weiteren Bedeutung wird damit aber alles bezeichnet, was – ob eßbar oder nicht – Körner, Mehl oder Kleie von Weizen, Gerste, Spelz, Roggen oder Hafer enthält und in Verbindung mit Wasser gegärt hat oder sich noch im Gärungsprozess befindet. Anstelle des Chamez haben die Juden während ihres Auszugs aus Ägypten aufgrund des Zeitmangels Mazza zubereitet – eine Brotsorte, die ohne Sauerteig zubereitet wird. Der Verzehr von Mazza erinnert gleichzeitig an die Lebensbedingungen während des Exils. Vor dem Beginn des Pessach unterzieht die Familie das ganze Haus deshalb einer Putzaktion, um alles Chamez zu entfernen. Während des Festes wird sogar das normale Besteck nicht benutzt, weil ihm ebenfalls Chamez anhaften könnte. In Israel verschwindet Chamez natürlich auch aus den Auslagen der Bäckereien – orthodoxe Juden dürfen an Schaufenstern, in denen Chamez liegt, keinesfalls vorbeigehen. Dieses Gebot wird in der Diaspora allerdings nicht so streng gehandhabt; hier dürfen sich Juden auf die Gewohnheiten ihrer nichtjüdischen Umgebung einstellen.

Am Vorabend des Festes hält die Familie in ihrem Haus die Sederfeier ab (Seder heißt „Ordnung“); das Sedermahl symbolisiert die letzte Mahlzeit, die die Juden im Exil zu sich nahmen. Auf dem Sedertisch liegen neben drei Mazzot noch eine ganze Anzahl anderer symbolischer Speisen: Ein Kidduschbecher mit Wein steht für die Freude über den Auszug und die Hoffnung auf ein Leben ohne Fremdbestimmung; „bittere Kräuter“ (Meerrettich, Radieschen und Lauch) symbolisieren die bittere Zeit des Exils; frisches Gemüse, Karpas genannt, bedeutet Frühling und Hoffnung (z. B. Sellerie, Petersilie und eine gekochte Kartoffel); der Charosset (von hebr. Charssit, „Tonerde“), ein lehmfarbenes Fruchtmus aus Äpfeln, Walnüssen, Wein, Zimt und etwas Mazza-Mehl, versinnbildlicht den Mörtel, den die Juden der Überlieferung zufolge für den Bau der ägyptischen Städte verwenden mußten; ein hartgekochtes Ei erinnert an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem und symbolisiert daneben ganz allgemein die Trauer; ein Unterschenkelknochen steht für die Opfergabe, die an Pessach zum Jerusalemer Tempelheiligtum gebracht wurde; etwas Salzwasser deutet die Tränen an, die im Exil vergossen wurden.
Der Vater lehnt sich auf einem bequemen Stuhl zurück – ein Zeichen für die wiedererlangte Freiheit des Volkes Israel. Nachdem sich alle Anwesenden die Hände gewaschen haben, spricht die Mutter einen Segen und zündet die Kerzen an. Nach dem Kiddusch über dem Wein wird etwas von dem Gemüse in das Salzwasser getaucht und gegessen. Anschließend bricht der Vater die mittlere der drei Mazzot und legt ein Stück davon für den späteren Verzehr beiseite. Hauptelement der Zeremonie ist jedoch der Bericht über den Auszug aus Ägypten (Pessach-Haggada). Eines der Kinder leitet die Erzählung mit vier Fragen ein: „Warum ist diese Nacht anders als andere Nächte?“ Und der Vater antwortet: „Einst waren wir Knechte in Ägypten, im Lande des Pharaos…“ Während der Erzählung wird auch der Meerrettich gesegnet und in den Charosset getunkt. Viermal wird der Kelch mit Wein ausgetrunken, im Andenken an die „vier Wege“, mit denen Gott den Auszug aus Ägypten gesichert hat. Ein fünftes Glas wird gefüllt – es steht für den Propheten Elias bereit, der die endgültige Erlösung durch den Messias ankündigen soll. Beim dritten Glas Wein hat der Vater symbolisch die Tür geöffnet, um den Propheten einzulassen. Das zu Beginn beiseite gelegte Stück Mazza wird verzehrt; dann sagen alle wie an Jom Kippur „Nächstes Jahr in Jerusalem!“ Mit fröhlichen Liedern wird das Sedermahl beendet.

(Stefan Koppelmann, in: Religionen feiern. Feste und Feiertage religiöser Gemeinschaften in Deutschland. Hg. vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e. V. REMID. Marburg 1997, S. 99-100. Die Buchausgabe ist vergriffen.)


Wochenfest (Schawuot)

„Du sollst das Wochenfest feiern, das Fest der Erstlingsfrüchte von der Weizenernte, und das Fest der Lese an der Jahreswende“ (2. Mose 34,22) – so lautet das Gebot der Tora für Schawuot, mit dem auch an die Verkündigung der Zehn Gebote auf dem Berg Sinai erinnert wird. Schawuot (hebr. „Wochen“) ähnelt in seinem Ablauf dem wöchentlichen Schabbat, allerdings darf gebacken und gekocht werden. Gleichzeitig ist Schawuot das „Fest der Erstlingsfrüchte“, ein Erntefest – und um daran zu erinnern, dass die ersten der eingebrachten Erntefrüchte Gott gehören, werden die Synagogen an diesem Tag mit Blumen und Gräsern geschmückt. Viele Gemeinden in Deutschland richten für die jüdischen Kinder ein kleines Fest aus; in den Kindergärten und in der Schule wird über den Sinn dieses Festtages gesprochen; es werden Lieder gesungen, es wird getanzt und manchmal auch ein Rollenspiel aufgeführt, das die Verkündigung der Zehn Gebote zum Inhalt hat. Anschließend gehen die Kinder in einigen der größeren Gemeinden mit ihren Eltern in einer Prozession zur Synagoge, wo Rabbiner und Kantor ihnen die Torarollen zeigen; die Zehn Gebote werden vorgelesen und erklärt. In manchen Gemeinden werden diejenigen Kinder, die besonders eifrig die Tora lesen oder häufig die Synagoge besuchen, mit einem Preis bedacht. Schawuot findet am 50. Tag nach dem Pessachfest, am 6./7. Sivan statt.


(Stefan Koppelmann, in: Religionen feiern. Feste und Feiertage religiöser Gemeinschaften in Deutschland. Hg. vom Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e. V. REMID. Marburg 1997, S. 100. Die Buchausgabe ist vergriffen.)

Autoren: Steffen Rink und Stefan Koppelmann, 1997/2005.

 

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Autor*in: REMID e.V.