Religionen: Konkret
Lokale Religionsforschung in Deutschland: Konzepte – Ziele – Perspektiven Eine interdisziplinäre Tagung des Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienstes
und des Religionswissenschaftlichen Instituts der Universität Leipzig
Leipzig, 13. bis 15. Juni 2003
1. Thema
Religiöser Pluralismus in Deutschland
Die religiöse Landschaft in Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess. So werden durch Migration neue Religionen in Deutschland heimisch. Aber auch christlich oder religionslos sozialisierte Einheimische orientieren sich an anderen religiösen Angeboten neben den etablierten Kirchen. Welche Religions- und Glaubensgemeinschaften in einer Region bzw. bundesweit vorhanden sind, lässt sich kaum überblicken.
Die Diskussion um die Integration von Ausländern entfacht sich oft an religiös besetzten Themen. Dies wirft die Frage auf, welche Werte unsere Gesellschaft zusammenhalten. Dürfen Lehrerinnen ein Kopftuch tragen? Kreuze in öffentlichen Schulen hängen? Sollte ein Minarett niedriger sein als der nahegelegene Kirchturm – und hat es überhaupt eine Daseinsberechtigung in einer deutschen Kleinstadt? Dürfen Hindus die Asche ihrer verstorbenen Angehörigen im nahegelegenen Fluss bestatten, auch wenn es der Gewässerschutz eigentlich verbietet? Welche Religionsgemeinschaften in unserer Stadt vertreten fundamentalistische Positionen?
Diese und ähnliche Fragen werden in den Medien diskutiert – oft ohne Beteiligung von kompetenten Wissenschaftlern. In Politik und Verwaltung müssen im Alltag Entscheidungen getroffen werden, aber es fehlen vielfach inhaltlich fundierte Informationsquellen, die schnell und effektiv abfragbar sind. Gesellschaftlich relevante Fragen aufzugreifen, Forschungsergebnisse so aufzubereiten, dass sie einer breiten Öffentlichkeit verständlich sind und auf diese Weise in der religiösen Vielfalt in Deutschland Orientierung zu bieten, ist daher Anliegen der Tagung.
2. Forschungsstand In den letzten Jahren sind im deutschsprachigen Raum unter dem Dach von Religionswissenschaft und Theologie einige Projekte und Studien entstanden, die sich mit der religiösen Vielfalt in einzelnen Städten und Landkreisen befassen. So wird im März 2003 die Publikation ‚Religionen in Leipzig‘ von einer Projektgruppe Studierender des Religionswissenschaftlichen Institutes der Universität Leipzig erscheinen.
Eine übergreifende Forschung zur Thematik ‚Religionen vor Ort in Deutschland‘ ist bis heute jedoch nicht erfolgt. Die ‚weißen Flecken‘ auf der religiösen Landkarte Deutschlands überwiegen. Es existieren nur punktuelle Studien, die die Situation einzelner Religionen im deutschsprachigen Raum (z.B. Islam, Buddhismus) oder die religiöse Vielfalt in verschiedenen Städten oder Regionen beleuchten. Eine interdisziplinäre Diskussion über theoretische und methodische Standards, die Vergleichbarkeit und die Ziele der Studien steht noch aus. Die vorliegenden Untersuchungen stammen von Religionswissenschaftlern, Theologen, Geographen, Islam- und Kulturwissenschaftlern und sind demnach unterschiedlich akzentuiert. Ansprüche, Konzepte, Ziele und Methoden divergieren von Projekt zu Projekt stark.
Eine Vernetzung steht noch aus. Da in diesem Forschungszweig viel Dynamik steckt, möchten wir eine interdisziplinäre und überregionale Kooperation anstoßen, mit der Perspektive, die Themen lokaler Religionsforschung zu einem Bild zusammen zu fügen.
3. Ziele der Tagung Ziel der Tagung ‚Religionen: konkret‘ ist es, Forscher und Studierende der relevanten Disziplinen zusammenzubringen, um Konzepte und Inhalte der lokalen Religionsforschung zu diskutieren und gemeinsam Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Fokus ist die Situation in Deutschland, es werden aber auch Erfahrungen aus Österreich und der Schweiz einbezogen.
Dabei soll es um Themen, Methoden und Theorien gehen, die für die lokale Religionsforschung in deutschsprachigen Raum relevant sind, aber auch um Möglichkeiten interdisziplinärer Vernetzung und multimediale Präsentationsformen der Forschungsergebnisse. Im Zentrum stehen die Erfahrungen lokaler Projekte und die Frage, wie sich religionswissenschaftliche Forschung – auch in ihren Darstellungsformen – in Zukunft besser auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit ausrichten kann.
Ein weiteres Ziel der Tagung besteht darin, ein breit angelegtes interdisziplinäres Forschungsprojekt zu religiösem Pluralismus in Deutschland zu initiieren. Vier Anliegen sind die Ecksteine des Tagungskonzepts. 1. Interdisziplinäre Zusammenarbeit zu stärken; 2. zur Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit beizutragen; 3. Die bisherigen Forschungsergebnisse zu präsentieren 4. junge Wissenschaftler und den Dialog zwischen verschiedenen Generationen von Forschern zu unterstützen.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern
Für die lokale Religionsforschung spielen Religionswissenschaft, Theologie, Geographie und Soziologie zentrale Rollen. Im Hinblick auf das langfristige Ziel, die religiöse Landschaft im deutschsprachigen Raum zu erforschen, bringt jede der Disziplinen wichtige Hintergründe mit, die sich gegenseitig ergänzen und befruchten können. Da die Religionswissenschaft mit ihrer Methodenvielfalt an sich schon ein interdisziplinäres Fach ist, sind die Brücken zu anderen Disziplinen leicht zu bauen.
Eine interdisziplinäre Diskussion soll nicht nur angeregt werden, in dem Referenten verschiedener Fachrichtungen eingeladen sind, sondern auch durch eine entsprechend breit gestreute Teilnehmerwerbung, u.a. an den Instituten der angesprochenen Fächer.
Kommunikation zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit fördern
Religiöser Pluralismus ist ein Thema, dass in der Öffentlichkeit relevant und präsent ist. Forschungen zu diesem Thema sind nicht nur für die wissenschaftliche Fachwelt, sondern auch für Journalisten, Mitarbeiter von Kommunen und Ministerien, Lehrer und Vertreter von Religionsgemeinschaften von Interesse. Für sie müssen Informationsquellen vor allem übersichtlich, schnell und zielorientiert abfragbar sein. Die Veröffentlichungsformen wissenschaftlicher Forschungsergebnisse werden diesen Erwartungen vielfach nicht gerecht und zeigen so weniger Wirkung, als sie inhaltlich verdienen.
Bei der Konzeption eines Forschungsprojekts und der Publikation ist es nützlich, ein klares Bild der Zielgruppen zu haben, für die die Ergebnisse interessant sind. Daher werden bei der Tagung auch Rezipienten der Forschungsergebnisse aus Politik, Behörden und Medien zu Wort kommen.
Präsentation der Ergebnisse
Workshops der Tagung bieten die Möglichkeit, Herausforderungen zu diskutieren, die sich bei der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse stellen. Dies kann sehr anschaulich in Form einer Ausstellung geschehen. Als Beispiel einer solchen Darstellung möchte das Projekt ‚Religionen in Leipzig‘ im Rahmen der Tagung seine Ergebnisse in Ausstellungsform präsentieren.
Wissenschaftlichen Nachwuchs fördern
Lokale Religionsforschung im deutschsprachigen Raum stößt speziell unter jüngeren Wissenschaftlern auf großes Interesse. Damit einher geht eine zunehmende Offenheit gegenüber Methoden, die für die Religionswissenschaft relativ neu sind: z.B. Feldforschung und qualitative Erhebungen. Die Organisation der Tagung übernehmen wissenschaftliche Nachwuchskräfte des Religionswissenschaftlichen Institutes der Universität Leipzig. Auch anderen Initiativen von Nachwuchswissenschaftlern soll mit der Tagung ein Forum geschaffen und der Dialog zwischen verschiedenen akademischen Generationen gefördert werden.
4. Arbeitsformen Auf der Tagung gibt es Vorträge, Panels und Workshops. Die Vielfalt der Arbeitsformen im Plenum und in Kleingruppen dient dem Ziel, eine produktive Mischung aus Information, Diskussion und Raum für Erfahrungen und Ideen der Teilnehmenden zu bieten. Auf diese Weise sollen dem interdisziplinären Austausch optimale Voraussetzungen geschaffen werden.
Die Vorträge (30-45 min.) richten sich an das Plenum und bieten einen Überblick über eine bestimmte Fragestellung. Sie dienen in erster Linie der Information und sollen Denkanstöße geben. Im Anschluss daran gibt es Gelegenheit für Rückfragen und eine Plenumsdiskussion.
Die Panels richten sich an das Plenum. Es werden direkt hintereinander komprimierte Kurzvorträge (20 min.) gehalten, die verschiedene Perspektiven auf ein Thema beleuchten. Im Anschluss gibt es eine Plenumsdiskussion. Dies dient dazu, die Vielfalt der Perspektiven auf das Thema darzustellen und die Teilnehmer zu einer eigenen Positionsbestimmung zu motivieren.
Die Workshops richten sich an Kleingruppen Die Workshopleiter geben eine kurze Einführung in das Thema, die in erster Linie die Diskussion eröffnen soll und moderieren diese anschließend. Hier geht es um eine intensive inhaltliche Beteiligung der Teilnehmenden. Die Ergebnisse werden im Anschluss kurz im Plenum präsentiert.
5. Programm (Stand: 09. Juni 2003)
Freitag, 13. Juni 2003
Ab 13.00 Uhr: Anmeldung
14.30 Uhr: Begrüßung
15.00-19.30 Uhr: Religionen vor Ort: Forschungsstand
l 15.00 Uhr – Vortrag: Der Ort der Religionen in Deutschland.
lReferent: Prof. Dr. Reinhard Henkel, Geographisches Institut, Universität Zagreb/Kroatien
l 16.00 Uhr – Vortrag: Lokale Religionsforschung in der Religionswissenschaft.
l Referentin: Dr. Edith Franke, Universität Hannover
17.00 Uhr – Panel: Lokale Forschungsprojekte: Ansätze, Fragestellungen und Ergebnisse im Vergleich
l 1. Kurzvortrag: Projekt mit Selbstdarstellung der Religionen
l Referent/in: Dr. Berno Stoffel / Petra Bleisch Bouzar / Jeanne Rey / Katja Walser
l Projekt Religiöse Landkarte Fribourgs, Universität Fribourg/Schweiz
l 2. Kurzvortrag: Theologisches Projekt
l Referent: Dr. Peter Noss, Projekt Lexikon religiöser Gemeinschaften im Ruhrgebiet, Universität Bochum
l 3. Kurzvortrag: Religionswissenschaftliches Projekt
l Referent/in: Andreas Rauhut, re.form Leipzig e. V., Projekt „Religionen in Leipzig“, und Dr. Edith Franke, Universität Hannover
19.00 Uhr: Plenumsdiskussion
19.30 Uhr: Empfang mit Imbiss
20.15 Uhr: REMID-Mitgliederversammlung
Samstag, 14. Juni 2003
9.00-12.15 Uhr: Theoretische Fragestellungen
l 9.00 Uhr: Workshops (Diskussion in Gruppen). Themen zur Auswahl:
l 1. Religion: Definition und Abgrenzung des Forschungsgegenstands
l Leitung: Dipl. theol. Daniel Cyranka, Seminar für Ökumenik und Religionswissenschaft, Universität Halle-Wittenberg
l 2. Neutralität vs. Bewertung
l Leitung: Prof. Dr. Dr. Peter Antes, Seminar für Religionswissenschaft, Universität Hannover
l 3. Klassifizierung der Religionsgemeinschaften
l Leitung: Dr. Thomas Hase, Religionswissenschaftliches Institut, Universität Leipzig
10.30 Uhr Pause
l 11.00 Uhr – Plenum: Vorstellung der Ergebnisse aus den Workshops
l 11.30 Uhr – Vortrag: Regionale Unterschiede innerhalb von Religionsgemeinschaften
l Referent: Dipl.-Pol. Steffen Rink, Informationsplattform Religion / REMID e. V., Marburg
12.15 Uhr Mittagspause
14.00-16.00 Uhr – Panel: Die Erwartungen der Gesellschaft: Perspektiven aus Verwaltung, Politik und Medien
l 1. Kurzvortrag: Situation und Erwartungen auf kommunaler Ebene am Beispiel Frankfurt/Main
l Referentin: Dr. Eva Maria Blum, Amt für Multikulturelle Angelegenheiten, Frankfurt/Main
l 2. Kurzvortrag: Erwartungen von Journalisten
l Referent: Rüdiger Achenbach, Deutschlandradio Köln, Redaktion „Aus Religion und Gesellschaft“
l 15.30 Uhr – Plenumsdiskussion
16.00 Uhr Pause
16.30-18.00 Uhr: Die Präsentation der Forschungsergebnisse
l 16.30 Uhr: Workshops (Diskussion in Gruppen). Themen zur Auswahl:
l 1. Kartographie und GIS (Geographische Informationssysteme)
l Leitung: Dr. Gudrun Meyer, Institut für Geographie, Leipzig
l 2. Konzeption und Gestaltung der Publikation
l Leitung: Kirsten Holzapfel, Religionswissenschaftlerin, Tübingen
l Benita von Behr, Religionswissenschaftlerin und Lektoratassistentin, Berlin
l 3. Präsentationsformen im Internet
l Leitung: Dipl.-Pol. Steffen Rink, Informationsplattform Religion / REMID e. V., Marburg
l 17.30 Uhr Plenum: Vorstellung der Ergebnisse aus den Workshops
l18.00 Uhr Vortrag: The Pluralism Project at Harvard University: Exploring North America’s Religious Diversity
Referentin: Grove Harris, Harvard University, USA
Sonntag, 15. Juni 2003
10.00 bis 13.00 Uhr: Zusammenfassung / Perspektiven interdisziplinärer Zusammenarbeit
l 10.00 Uhr – Vortrag: Angewandte Religionswissenschaft
lReferent: Prof. Dr. Hubert Seiwert, Religionswissenschaftliches Institut, Universität Leipzig
11.00 Uhr – Panel: Interdisziplinäre Perspektiven
l 1. Kurzvortrag: Religionssoziologie
l Referent: PD Dr. Volkhard Krech, Universität Bielefeld
l 2. Kurzvortrag: Religionsgeographie
l Referent: Prof. Dr. Reinhard Henkel, Geographisches Institut, Universität Zagreb (angefragt)
l 3. Kurzvortrag: Theologie
l Referent: René Dybdal Pedersen, Det Dankse Pluralismeprojekt, Universität Aarhus (Interdisciplinary and international perspectives vor the future)
l 4. Kurzvortrag: Religionswissenschaft
l Referentin: Dr. Gritt Klinkhammer, Max Weber-Kolleg, Universität Erfurt / REMID e. V.
12.00 Uhr: Abschlussdiskussion – Resümee und Ausblick
Im Anschluss besteht Gelegenheit zu einem religionskundlichen Stadtrundgang durch Leipzig.
6. Organisatorisches
Tagungsort:
Universität Leipzig, Erziehungswissenschaftliche Fakultät
Karl-Heine-Str. 22, 04229 Leipzig
Teilnahmegebühren:
Ermäßigt (REMID-Mitglieder/Studierende/Erwerbslose): 20,00 Euro
Regulär: 30,00 Euro
Für Studierende und Erwerbslose besteht die Möglichkeit, sich für eine kostenlose Übernachtung bei Leipiger GastgeberInnen anzumelden (bitte auf dem Anmeldeformular ankreuzen).
Werden Sie jetzt REMID-Mitglied!
Das 200. Mitglied nimmt kostenlos an der Tagung teil! REMID hat zurzeit rund 190 Mitglieder. Neue Mitglieder werden nach Einsendung eines Mitgliedsantrags in der nächstfolgenden Vorstandssitzung in den Verein aufgenommen. Für die Reihenfolge gilt der Eingangstermin des Antrags.
Die Anmeldung gilt mit der Überweisung der Teilnahmegebühr.
Bankverbindung für die Tagung: REMID e. V., Commerzbank Marburg, BLZ 533 400 24, Konto-Nr. 390 87 95.
Sie erhalten eine Bestätigung und vor der Tagung weitere Informationen.
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