Weltreligionen oder Religionen der Welt?
Der Ausdruck „Weltreligionen“ war ursprünglich ein theologisches Konzept, das ältere Konzepte eines weltweiten „Heidentums“ ablöste, indem aus eben diesem sogenannte „Hochreligionen“ – neben Islam und Judentum – ausgegliedert wurden. Aus Sicht der christlichen Kirchen galt es diesen gegenüber andere Strategien zu entwickeln, als gegenüber sogenannten „Sekten“ (eigentlich: Neue Religiöse Bewegungen) und „Kulten“ (Religionen sogenannter „schriftloser“ Kulturen). Noch heute zeigen theologische Lehrstühle für „Religions- und Missionswissenschaft“, dass das Fach ursprünglich zur Erleichterung der Mission gerade der Angehörigen dieser „Weltreligionen“ gedacht war. Ähnlich begünstigt das Konzept der Weltreligionen bis heute Ansätze, aus der Vielzahl dieser „Hochreligionen“ eine – tendenziell einseitige – Gesamtschau des Heiligen in der Welt zu entwerfen, als Versuch einer Phänomenologie „der Religion“ im Singular. Diese Ansätze sind selbst religiöse Betätigung und verstoßen gegen den methodischen Agnostizismus, den sich die sich ab 1900 als eigene Disziplin herausbildende säkulare Religionswissenschaft zu ihrer Voraussetzung gemacht hat. Agnostizismus bedeutet davon auszugehen, dass wir nicht wissen können, ob es z.B. Gott gibt. Dadurch, dass es außerhalb der monotheistischen Religionen eben nicht einfach um Gott geht, und es andere Fragen sein können, welche Metaphysik und Skepsis in diesen Religionen bestimmen, wurde eine grundsätzliche Kritik von Terminologien bei Religionsbeschreibungen angeregt.
- Einen etwas veralteten Überblick bietet das Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, Stuttgart: Kohlhammer 1988-2001 („Aberglaube – Antisemitismus“, „Apokalyptik – Geschichte“, „Gesetz – Kult“, „Kultbild – Rolle“, „Säkularisierung – Zwischenwesen“). Nicht immer bedeutet das Vorhandensein eines Stichworts die Empfehlung seiner Verwendung.
- Man siehe auch unsere Zusammenstellung „Religion und Vorurteil von A bis Z“ (2015)
- Interview mit Angelika Rohrbacher: „Quo vadis, domine? Eurozentrismus(kritik) in der Religionswissenschaft (2012)
- Interview mit Christoph Kleine: „Quo vadis Religionswissenschaft? Wissenschaftliche ‘turns’ und die Nabelschau Europas“ (2016)
Andere Themenschwerpunkte:
- Christentum aus religionswissenschaftlicher Sicht
- Islam
- Weltanschauungen und Säkularität
- Methoden der Religionswissenschaft
- Esoterik und alternative Spiritualität
- Religionsfreiheit
„Weiter“ Religionsbegriff
In der REMID-Religionsstatistik für Deutschland werden neben Judentum, Christentum und Islam die Kategorien Buddhismus, Hinduismus und (seit 2017) Yezidentum unterschieden. In die daneben bestehende Kategorie der „Verschiedenen“ fallen neben esoterischen Verbänden und spirituellen Gemeinschaften daher die Neuen Religiösen Bewegungen (gesetzte Grenze: 1800) und außerdem – älter als 1800 – Sikhs, Zarathustrier, Jainismus, traditioneller Shinto, Mandäer, Daoismus, afrikanisches Wodun sowie Einträge der (teilweise jüngeren) afroamerikanischen Religionen (Santería, Candomblé, Umbanda, Terra Sagreda). Über Konfuzius-Institute gibt es zumindest eine weltanschauliche Präsenz des Konfuzianismus.
Während reformhinduistische Strömungen ( sowie sikhistische und tantrische Gruppen) einerseits und das Feld Paganismus / Schamanismus andererseits sich inhaltlich mit alternativer Spiritualität und Esoterik überschneiden können, sind die Bahá’í ein Beispiel für eine religiöse Minderheit jüngeren Entstehungsdatums, welche sich selbst als eine neue „Weltreligion“ verstehen. Oft werden japanische Neureligionen wie Shinnyo-En, Soka Gakkai (diese beiden sind auch als Buddhismus lesbar), Sukyo Mahikari, Seicho-No-Ie oder Tenrikyo zu einem eigenen Typus zusammengefasst.
- Mitgliederzahlen: Verschiedene
- Kris Wagenseil: Wer zählt was? Statistiken aller Religionen der Welt und ihre Probleme (2011)
- Auswahl von Zahlen zu Religionen international (zum Vergleich) (2015-2018)
Judentum
- Mitgliederzahlen: Judentum in Deutschland
- „Lernwerkstatt Weltreligionen“: Basisinformationen Judentum (2005-8)
- Stefan Koppelmann: Das Judentum. Eine Einführung in Geschichte und Religion, 1993 (bestellbar)
- Stefan Koppelmann: Bedingungen jüdischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland, 1993 (bestellbar)
- Steffen Rink: Richtungen im Judentum (2003)
- Steffen Rink: Tod, Unterwelt, Auferstehung und Bestattung im Judentum (2002)
- Steffen Rink: Die Synagoge (2002)
- Steffen Rink / Stefan Koppelmann: Feiertage und Kalender im Judentum (2005)
- Interview mit Maria Mahler: Vielfalt und Perspektiven im Judentum: Haskala, Konversion, Migration (2012)
- Interview mit Maria Mahler: Bis 120! – Altersbilder im Judentum (2013)
- Interview mit Lisa Andryszak: Der Israelit. Das Selbstverständnis der Neo-Orthodoxie in der deutsch-jüdischen Presse um 1900 (2015)
- Interview mit Annalena Groppe: Spiritualität als Friedenswerkzeug. Interviews aus einer jüdisch-palästinensischen Dorfgemeinschaft (2015)
- Interview mit Michael Blume: Interview: Religionswissenschaftler Michael Blume wird Antisemitismus-Beauftragter Baden-Württembergs (2018)
- Man siehe auch Themenseite: Antisemitismus im Themenschwerpunkt: Religionsfreiheit
Christentum
- Themenschwerpunkt: Christentum aus religionswissenschaftlicher Sicht
Islam
- Themenschwerpunkt: Islam
Hinduismus
- Mitgliederzahlen: Hinduismus in Deutschland
- Steffen Rink: Informationsplattform Religion – Tod und Wiedergeburt im Hinduismus (2004)
- Markus Dreßler: Die Lehre von Sai Avatar Mahindra. Mahindras Yoga-Weg zum Christusbewußtsein (1997, im PDF)
- Sabine Weber: Die Sathya-Sai-Baba-Bewegung. Die Liebe ist mein Erkennungszeichen (1997, im PDF)
- Thomas Schweer: Die Internatione Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein (1997, im PDF)
- Kurzinformation Religion: Transzendentale Meditation (2001)
- Frank Neubert: Krishnabewusstsein. Die International Society for Krishna Consciousness (ISKCON) – „Hare-Krishna-Bewegung“, 2010 (bestellbar)
- Interview mit Frank Neubert: Globale Gurus: Indische Religionen auf Welttournee (2011)
- Gastbeitrag von Mark Nemitz: Auroville als alternatives Gemeinschaftsprojekt – ein Reisebericht (2013)
- Interview mit Ben Heimann: Caitanyas Erbe: Heterogenität und Mitgliederfluktuation in der Hare Krishna Bewegung (2014)
- Interview mit Gerrit Lange: Säfte und Kräfte – Ansätze zu einer Religionsgeschichte der Körperflüssigkeiten (2015)

Die urna (Stirnlocke) ist eines von 32 Kennzeichen Buddhas, hier beim Daibutsu von Kamakura in Japan.
Buddhismus
- Mitgliederzahlen: Buddhismus in Deutschland
- Martin Baumann: Der buddhistische Orden Arya Maitreya Mandala, 1994 (bestellbar)
- Renate Pitzer-Reyl: Die Association Zen Internationale (1997, im PDF)
- Martin Baumann: Überlegungen zur Nähe von Esoterik und Buddhismus. Der ‚Drei-Juwelen-Pfad‘ als Highway ins Nirvâna? (1997, im PDF)
- Thomas Schweer: Vajradhatu Shambala Europe. Der Weg des Kriegers (1997, im PDF)
- Steffen Rink: Tod, Bestattung und Wiedergeburt im Buddhismus (2004)
- Steffen Rink: Das buddhistische Bekenntnis (2004)
- Steffen Rink: Schulen (Traditionen) im Buddhismus (2004)
- Steffen Rink: Kalender und Feiertage im Buddhismus (2004/5)
- Robert Kötter: Soka Gakkai International-Deutschland, 2006 (bestellbar)
- Interview mit Michael Schmiedel: Der Buddha im Westen: Moderne einmal anders (2011)
- Interview mit Heinz-Jürgen Loth: Mudangs, Weon-Buddhismus und Hananim – religiöser Pluralismus in Südkorea (2011)
- Teile der Zusammenstellung: Buddhas Drittes Auge – Populäre religionsgeschichtliche Irrtümer von A bis Z (2015)
- Gastbeitrag von Kristina Göthling: Der Überlebenskampf des Christentums im „Sumpf“ Japans? Christliche Bewegungen zwischen japanischem Buddhismus und portugiesischem Katholizismus (2017)
Bild von muza-chan.net unter Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 4.0.
- Mitgliederzahlen: Yeziden in Deutschland
- Kurzinformation Religion: Yeziden (2005)
- Interview mit Michael Blume: Als Religionswissenschaftler ein Projekt in Kurdistan-Irak leiten? (2015)
- Essay Überlebende des IS-Terrors: “Niemand soll sagen können, er habe von diesen Verbrechen nichts gewusst” (2016)
Daoismus
- Kurzinformation Religion: Daoismus (2017)
Sikhismus
- Gastbeitrag von Sabine Liesche: Vom Ursprung des Sikhismus bis zum Traum von Khalistan (2017)

Typische Darstellung eines Umbanda-Altars für Iemanjá und Cabocla in São Paulo, Brasilien, 1997. © Inga Scharf da Silva.
Afrikanische / Afroamerikanische Religionen
- Kurzinformation Religion: Afroamerikanische Religionen (2006)
- Kris Wagenseil: Afrikanische Religionen und ihre Anerkennung in Deutschland. Dokumentation der interkulturellen Veranstaltung 6. November 2010 Heilbronn (PDF 2011)
- Essay Großhirn-Voodoo und Voodoo-Politik – Kritik einer Metapher (2011)
- Interview mit Inga Scharf da Silva: Orixás in den Alpen: Eine teilnehmende Beobachtung innerhalb von Umbanda-Gruppen in Brasilien und Europa (2018)
Bahá’í
- Kurzinformation Religion: Bahá’í (2016)
- Tobias Frick: Die Bahá’í. Suche nach Frieden, Einheit und Gerechtigkeit (im PDF, 1997)
Andere Neue Religiöse Bewegungen
- Kurzinformation Religion: Scientology (2001)
- Interview mit Gerald Willms: Von Paulus bis Scientology: Ein Buch über Sekten-Macher und neue religiöse Bewegungen (2013)
- Um u.a. den „Ordre Martiniste“ geht es im Interview mit Julian Strube: “Le Christianisme c’est le Communisme”: Sozialismus und Okkultismus im Frankreich des 19. Jahrhunderts (2013)
- Um u.a. den „Typhonian O.T.O.“ geht es im Interview mit Friedemann Rimbach-Sator: Lovecraft goes Magick: Cthulhus Ruf in Phantastik und (neuer) Religion (2015)
- Um „Falun Gong“ geht es auch im Interview mit Yasmin Koppen: Der Halbmond im Reich der Sonne (2015)
- Kurzinformation Religion: Rosenkreuzer (2016)
- Um u.a. „Anastasia-Bewegung“, „Transinformation“ und „Ynglism“ geht es bei Kris Wagenseil: Rechte Ideologie im esoterischen und neureligiösen Bereich (2016). Um erstere geht es auch im Interview mit Raimond Lüppken: Leben nach der Heiligen Anastasia. Rechtsradikalismus in Grün (2019)
- Um u.a. die „Illuminaten von Thanateros” (IOT) und „Chaosmagie“ geht es auch bei ders.: Religionsparodien (2018)
- Interview mit Joachim Schmidt: Satanismus in der Religionswissenschaft (2018)
- Zu insb. Christengemeinschaft, Christian Science und Vereinigungskirche (Tongil-Gyo Vereinigungsbewegung oder The Holy Spirit Association for the Unification of World Christianity bzw. in Deutschland heute Familienförderation für Weltfrieden und Vereinigung e.V) siehe auch den Abschnitt „Andere Zugänge zum Christentum“ im Themenschwerpunkt: „Christentum aus religionswissenschaftlicher Sicht“.
- Martin Steiner: Kurzinformation Religion: Messianische Juden (2018)
Erloschene Religionen (und moderne rekonstruktive NRBs)
Erloschene Religionen, insbesondere solche mit schriftlicher Überlieferung, finden in oft verkürzender Rezeption Eingang in Neue Religiöse Bewegungen (NRB) sowie esoterische Konzepte. Daneben können Sie aber auch Gegenstand religionswissenschaftlicher historischer Forschung sein. Zugleich gehören auch sie zum Bestand einer allgemeinen vergleichenden Religionskunde.
1. Dabei sind archäologischen und teilweise auch philologischen Zugängen offen extinkte Kulturen oder frühe kulturelle Epochen wie die folgenden (fettgedruckt bedeutet, dass auch in entsprechendem Umfang Zeugnisse eines Schriftsystems überliefert sind). Innerhalb alternativer Spiritualität, Esoterik und neuen religiösen Bewegungen werden nur sehr ausgewählt erloschene Religionen dieses Typs rezipiert:
Xianrendong und Diaotonghuan in China (ca. 18.000-7000 v.chr.Z.*), die japanische Jōmon-Periode (ca. 14.000-300 v.chr.Z.), frühe Siedlungen in Jericho (10.-8. Jh. v.chr.Z.), Çatalhöyük (7500-5700 v.chr.Z.), im „Gulf of Khambat Cultural Complex“ (7500 v.chr.Z.), Sumer (ca. 4500 v.chr.Z. – ca. 1900 v.chr.Z. mit nachfolgenden assyrischen, akkadischen und babylonischen Reichen), Altägypten (4000 v.chr.Z. – 345), Elam (3000 – 640 v.chr.Z.), Harappa oder Indus-Kultur (2800 – 1800 v.Chr.Z.), Minos (ca. 2600 v.chr.Z. – ca. 1100 v.chr.Z.), das koreanische Reich Go-Joseon (der Legende nach um ca. 2300 v.chr.Z. von dem Halbgott Dangun Wanggeom gegründet), Magan oder Makkan (2300-550 v.chr.Z.), die frühe Geschichte des Chinesischen Reichs (Dynastien ab ca. 2100 v.Chr.Z.), die Hethiter (ca. 1600 v.chr.Z.- ca. 1178 v.chr.Z.), Mittani/Mitanni/Mittan(n)i oder Ḫanilgabat (1500-1300 v.chr.Z.), Ugarit (Blüte zwischen etwa 1450 v.chr.Z. und 1185 v.chr.Z.), die Maya (Städte ab 1500 v.chr.Z.), die „Olmeken“ bzw. La-Venta-Kultur (1500-400 v.chr.Z.), die Villanova-Kultur bei Bologna (ca. 1000 v.chr.Z.), die „Skythen“ (9. Jh. v.chr.Z.- 4. Jh. nach), die Etrusker (ab 800 v.chr.Z.), die „Meder“ (768–715 v.chr.Z., Regierungszeit von Kyaxares I., medisch Ḫavachštra, elamisch Šattarrida, assyrisch Kaštarita, babylonisch Hašatritti, früher König eines medischen Stammesverbandes), Kusch (785 v.chr.Z. – 350 nach), Griechenland in der archaischen Zeit (ca. 750-500 v.chr.Z.), die Römische Königszeit (753-510 v.chr.Z.), die Zapoteken (ab ca. 700 v.chr.Z.), Teotihuacán (600 v.chr.Z. – 750), die Klassische Periode Griechenlands (510 -323 v.Chr.Z.), die Römische Republik (509-27 v.chr.Z.), Hellenismus (336/323-30/31 v.Chr.Z.), Numidia (202-40 v.chr.Z.), die Nazca (100 v.Chr.Z. – 800), die Moche (100-700), die japanische Kofun-Periode (300-710, ab 5. Jh. Übernahme der chinesischen Schrift), die Azteken (im Gebiet von Tenochtitlán ab zw. 1320/1350 oder nach neueren Ausgrabungen 2007 ab zw. 1100 und 1200) usf.
* v.chr.Z. nach Julia Dippel, „Altes erhalten – Neues gestalten?“, in: Beinhauer-Köhler, Franke, Frateantonio (Hrsg.): „Religion, Raum und Natur“, Münster: Lit 2017.
- Interview mit Achim Schulze: “Pyramiden” im Dschungel – auf Forschungsreise in Guatemala (2011)
- Kris Wagenseil: Übersetzer als Konquistadoren. Eine Geschichte der “Eroberung” heiliger Texte durch den Westen (2013)
- Interview mit Frederik Elwert: “Der Brahmane sagt…” – Digital Humanities, Big Data und Religionswissenschaft (2013)
2. Einen besonderen Stellenwert hat die Rezeption der antiken Mysterienreligionen um Isis und Osiris, Mithras oder Dionysos, die sowohl monotheistische Religionen wie die Gnosis (wahrsch. 1.-2. Jh.), das Christentum oder den Manichäismus (3.-14. Jh.) beeinflussten, als auch ab der Frühen Neuzeit einen besonderen Inhalt der Renaissance, der wiederentdeckten Antike, ausmachten (ca. ab dem 15. Jh.). Gemeinsam mit den Überlieferungen des Corpus Hermeticum nach der mythischen Figur des Hermes Trismegistos (1.-3. Jh.) und anderen Stoffen bilden sie schließlich ab ca. 1800 eine Art Kanon eines Western Esotericism.
Kurzinformation Religion: Esoterik (2011)
- Artikel Esoterik: Ein ungewolltes Kind von Reformation, Aufklärung und Kolonialismus? (2013)
- Essay Das moderne Verhältnis von Coach und Weltanschauung und seine mögliche Bedeutung für die Zukunft neuer religiöser Bewegungen (2016)
- Themenschwerpunkt: Esoterik und alternative Spiritualität
3. Einen noch stärker rekonstruktiven Zug haben Rückbezüge auf solche historische Ethnien, welche wenig bis keine schriftähnlichen Zeichen hinterlassen haben und in Tendenz weniger – oder dann nachträglich korrigierend – über archäologische Forschungsergebnisse zum Gegenstand religiöser Betätigung werden, sondern vielmehr durch Rekonstruktion aufgrund historischer Fremdbeschreibungen, Mythen- und Sageninterpretation, etymologischen Überlegungen und Vergleichen mit gegenwärtigen Ethnien oder unter Rückgriff auf Konzepte wie die der „Naturreligion“ oder des „Schamanismus“ erschlossen werden.
- Kurzinformation Religion: Schamanismus (2010), Wicca (2006) und Celtic Recon (2013)
- Herrmann Ruttmann: Die Wicca-Religion. Alte Religion neu erstanden? (1997, im PDF)
- Kris Wagenseil: Gespenster – festliche Dekonstruktion einer Universalkategorie (2011)
- Ders.: Die Kopie ist das wahre Original: Aura-Kopierer, Religionswissenschaft, Falsifikation und Don Quijote (2012)
- Interview mit Jörn Meyers: Der “arische” Jesus und “arteigene Religion”: Neue Studie zu einem spirituellen deutschen Sonderweg (2012)
- Interview mit Marion Näser-Lather: Wicca: eine performative “Naturreligion” und die (re)konstruierte Tradition (2012)
- Christiane Königstedt: „Warum Definitionen wichtig sind“ – Paganismus, populäre Religion, Ahnenkult und rechtes Denken (2017)
4. Schließlich gibt es erloschene (historische) Neue Religiöse Bewegungen (seit 1800). Dabei besteht das Missverhältnis, dass die weitaus größere Zahl gescheiterter Neuer Religiöser Bewegungen sich einfach wieder aufgelöst haben, ohne dass diese Gruppen große Referenz in Medienzeugnissen erfahren hätten – d.h. sie werden potenziell auch für Historiker*innen unsichtbar:
- Eine der wenigen Gruppen, die aus der REMID-Statistik wieder entfernt wurden, hieß „Spirituelle Lebensgemeinschaft AUM“. Laut Oliver Krüger, EZW-Materialdienst 2001, hatte die Gruppe in Berlin 200 Unterstützer und Freunde und wurde 1996 von Ramin Hassani (geb. 1962, Hamburg) alias Lila Suka Dasa (ISKCON-Kontext) gegründet. 2005 wurde die Mitgliederangabe bei REMID auf 7 reduziert, 2010 der Eintrag entfernt. Krüger (MD 10/2001, S. 346): „Lila Suka und die spirituelle Lebensgemeinschaft AUM können möglicherweise als Indiz für einen bestimmten Trend in der Szene neuer religiöser Bewegungen gewertet werden, die strikte Orientung an einem spezifischen religiösen Lehrsystem zugunsten eines religiösen und esoterischen Synkretismus aufzugeben“.
- Eine andere typische Situation ist diejenige, wie z.B. bei der protestantschen Denomination des Arminianismus bzw. der Remonstranten (von lat. remonstrare „zurückweisen“), auch Arminianer. Sie wurde gegründet durch den holländischen Theologen Jacob Hermann (1560-1609), latinisiert Jacobus Arminius. Zwar gibt es noch heute eine Remonstrantse Broederschap (Remonstrantische Bruderschaft) mit ca. 5.000 Mitgliedern, Freunden und Angehörigen, hauptsächlich in den Niederlanden (sowie eine Gemeinde in Deutschland), aber entscheidender ist, dass die methodistische Kirche, die 1843 aus dem Methodismus hervorgehenden The Wesleyan Churches, einige Pfingstkirchen (The Christian and Missionary Alliance, Church of God, The Churches of Christ, Assemblies of God), die American Baptist Churches USA und die Kirche des Nazareners die Lehre rezipieren.
Im Gegensatz dazu stehen die wenigen tatsächlich im Konflikt zugrundegehenden Gruppen:
- Die Kurzinformation Religion: Rosenkreuzer (2016) enthält einen Abschnitt über den „Ordre du Temple Solaire“ (Sonnentempler).
- Heaven’s Gate (Text von Heimo Schulz Meinen im PDF, 1998) hat 2018 zwar noch eine aktive Webseite, aber seit 1997 gibt es de facto keine Anhänger mehr.
- Im Artikel Der Leser und das Medienereignis: Razzia bei Religionsgemeinschaft (2012) geht es anfänglich um die „Academy for future health“ in der Dominikanischen Republik (ca. 2010-2014).
- Im Artikel Des Teufels Netz – Italien und interreligöse Toleranz (2011) wird „Le Bestie di Satana“ (1998-2004), im Artikel Generationen in Konflikt und Wechsel: Von “Jugendsekten” zur “Gemeinde 2.0” (2012) eine apokalyptische Variante einer „Wahren russisch-orthodoxen Kirche“ (2003-2008) erwähnt – sowie überhaupt wie auch im Artikel Das moderne Verhältnis von Coach und Weltanschauung und seine mögliche Bedeutung für die Zukunft neuer religiöser Bewegungen (2016) eine Reihe solcher zumeist nicht fortbestehender Endzeitreligionen.
- Die brasilianisch-argentinische „Lineamiento Universal Superior“ (1984-1993) wird beim Stichwort „Kristallkinder“ (2017) vergleichend genannt.