Informationsplattform Religion: Zum Einreiseverbot für San Myung Mun

Am 19.06.2002 hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz ein Urteil bestätigt, nachdem der Gründer der Vereinigungskirche, Sun Myung Mun, nicht nach Deutschland einreisen darf, wenn die Bundesregierung ein entsprechendes Verbot erteilt hat (Aktenzeichen 12A10349/99.OVG / 3 K 938/98.KO).

Anlass des Verfahrens war ein geplanter Besuch Muns mit seiner Frau Hak Ja Han in Deutschland im Jahr 1995. Die damalige Bundesregierung verhängte ein Einreiseverbot, das auf Basis des Schengener Abkommens auf alle an dem Abkommen beteiligten Länder erweitert wurde. Mun sei Führer der Vereinigungskirche, die als Sekte einzustufen sei, von der Gefahren für die Anhänger ausgingen. Außerdem sei durch die Anwesenheit Muns die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, da sein öffentliches Auftreten zu heftigen Reaktionen in der Öffentlichkeit führen könne.

Die Vereinigungskirche in Deutschland versuchte, die Rechtswidrigkeit des Einreiseverbots feststellen zu lassen. Man sah sich in seinem Grundrecht auf Religionsfreiheit eingeschränkt. Die persönliche Anwesenheit des Gründers der Gemeinschaft sei von außerordentlicher Bedeutung für das Gemeinschaftsleben. Die Tatsache, dass bestimmte Veranstaltungen wie etwa die Segnungszeremonien zentral durchgeführt und per Satellit in die verschiedenen Länder übertragen werden, stelle keinen dauerhaften Ersatz für eine persönliche Begegnung dar.

Das Oberverwaltungsgericht, das nach einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen eine Entscheidung des bisherigen Instanzenweges neu zu entscheiden hatte, erkannte zwar – anders als vorherige Kammern – eine grundsätzliche Klagebefugnis der Vereinigungskirche an, da es sich um eine Religionsgemeinschaft handele, die bzw. deren Mitglieder durch das Einreiseverbot in ihren Grundrechten beschränkt sein könne. Dies hatte bereits das Bundesverwaltungsgericht entsprechend festgestellt. In der Sache jedoch wurden die bisherigen Entscheidungen bestätigt. Weil die körperliche Anwesenheit von San Myung Mun für die Mitglieder der Vereinigungskirche keine andere Bedeutung habe wie jedes „übliche Treffen von Mitgliedern einer Religionsgemeinschaft mit ihrem kirchlichen Oberhaupt“ auch, sei die freie Religionsausübung nicht wesentlich beeinträchtigt. Die von der Vereinigungskirche angeführten besonderen Handlungen Muns (Ehesegnung, Segnung von besonderen heiligen Plätzen oder Orten), die seine Anwesenheit zu einem besonderen, herausragenden Ereignis lassen würden, spielten in der tatsächlichen Praxis der Gemeinschaft keine besondere Rolle. Die religiösen Wirkungen bspw. der Ehesegung entfalteten sich auch bei besagten Satellitenübertragungen, und die Segung von heiligen Plätzen oder Orten habe Mun bei vergangenen Besuchen nicht vorgenommen. Auch habe die Vereinigungskirche Gebäude, die von Mun gesegnet worden seien, allein aus finanziellen Gesichtspunkten veräußert, wohingegen das Seminarzentrum in Schmitten nicht gesegnet sei und trotzdem seine Funktionen erfülle.
Die Bundesregierung jedoch habe seinerzeit im Rahmen ihrer Ermessenskompetenz nicht rechtswidrig gehandelt, so dass das Einreiseverbot als solches nicht zu beanstanden sei. Da die Möglichkeiten der Vereinigungskirche auf freie Religionsausübung nicht wesentlich beeinträchtigt sind, sei die Klage der Vereinigungskirche abzuweisen.

Knackpunkt der Entscheidung ist die Wertung der Bedeutung der persönlichen Anwesenheit des Gründers der Vereinigungskirche für die Gläubigen. Da das Gericht dieser Anwesenheit keine besondere Bedeutung zumisst, war die Entscheidung klar. Das Gericht vergleicht die Figur des Gründers einer neuen Religion mit den „geistigen Oberhäuptern“ oder „kirchlichen Oberhäuptern“ etablierter Religionen und beschränkt die Funktionen dieser Oberhäupter auf Kultausübung (hier vor allem: Segnungen). Das Gericht konnte aber keine rituellen Akte sehen, die notwendigerweise bei körperlicher Präsenz von San Myung Mun ausgeführt werden müssen, um ein religiöses Gemeinschaftsleben zu ermöglichen. Dagegen steht für das Gericht fest, „dass ein Besuch der Eheleute Mun in der Bundesrepublik Deutschland in erster Linie für die Mitglieder des Klägers (der Vereinigungskirche, SR) ein von der Persönlichkeit und Ausstrahlung Herrn Muns geprägtes außerordentliches Erlebnis gemeinschaftlicher Begegnung darstellen würde“, dem „ein hoher Stellenwert beigemessen wird“. Das jedoch sei typisch für jede Religionsgemeinschaft – nur aber für den Kult nicht erforderlich. Das Gericht weiter: „Ein darüber hinaus gehendes, übersinnliches besonderes religiöses Element, etwa dergestalt, dass die bloße Anwesenheit der Eheleute Mun für die Gläubigen der Vereinigungskirche eine göttliche Offenbarung bedeuten würde, ist damit jedoch nicht verbunden.“

Gegen diese Sichtweise lässt sich einwenden, dass die Bewertung der Rolle eines Stifters einer neuen Religion sehr deutlich von den Funktionen religiöser Führer etablierter Religionen abgeleitet ist. Die besondere Stellung, die der Gründer einer neuen Religion als solche hat – z. B. indem er bzw. sie lebende Repräsentanten und Garanten der Heilsgewissheit sind, wird nicht berücksichtigt. Interessanterweise ist es gerade diese Funktion, auf die in der kritischen Literatur zu so genannten Sekten indirekt immer hingewiesen wird, wenn von der Abhängigkeit der Anhänger zur Gemeinschaft und zum Führer die Rede ist – Einschätzungen über neue Religionen, die auch der Entscheidung über das Einreiseverbot aus dem Jahr 1995 zu Grunde lagen.
Nach den von der Vereinigungskirche verbreiteten Informationen hat das OVG zunächst eine außergerichtliche Einigung angeregt. Die Vertreter der Bundesregierung hätten jedoch kein Interesse an einer solchen Einigung gehabt bzw. seien sich über ein Verhandlungsmandat unsicher gewesen.
Informationen aus Sicht der Vereinigungskirche gibt es direkt unter der Webseite der Gemeinschaft: www.vereinigungskirche.de

Einreiseverbot verlängert

Das Bundesinnenministerium hat das Einreiseverbot für San Myung Mun, das im Juli 2002 abgelaufen wäre, um weitere zwei Jahre verlängert. Zur Begründung heißt es: „Der Grund liegt darin, dass sich nach Auffassung der Bundesregierung die Vereinigungskirche nicht von ihrer konfliktträchtigen Grundlage entfernt hat. Das ihr innewohnende Konfliktpotential ist nur durch die Abwesenheit des Gründers und Oberhaupts des Herrn Mun und seiner Frau nicht manifest geworden“ (zit. nach Infobrief Vereinigungskirche).

 

Autor: Steffen Rink, 2002.

 

Anmerkung Redaktion: San Myung Mun ist 2012 verstorben, vgl. Artikel  Grafik: Pfeil nach rechts Generationen in Konflikt und Wechsel: Von “Jugendsekten” zur “Gemeinde 2.0” (2012). Anhänger*innen der Vereinigungskirche waren 1982 und 1984 Teilnehmer*innen von Studien, vgl. Artikel  Grafik: Pfeil nach rechts “Intensivgruppen”? Alter Wein in neuen Schläuchen (2014).  Die Gemeinschaft Vereinigungskirche nennt sich auch Tongil-Gyo Vereinigungsbewegung oder The Holy Spirit Association for the Unification of World Christianity bzw. in Deutschland heute „Familienförderation für Weltfrieden und Vereinigung e.V.“.

 

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Autor*in: REMID e.V.